Winter
Wenn sich das Laub auf Ebnen weit verloren,
So fällt das Weiß herunter auf die Thale,
Doch glänzend ist der Tag vom hohen Sonnenstrale,
Es glänzt das Fest den Städten aus den Thoren.
Es ist die Ruhe der Natur, des Feldes Schweigen.
Ist wie des Menschen Geistigkeit, und höher zeigen.
Die Unterschiede sich, daß sich zu hohem Bilde.
Sich zeiget die Natur, statt mit des Frühlings Milde.
Johann Christian Friedrich Hölderlin (1770-1843)
Winter
Verschneit liegt rings die ganze Welt,
Ich hab nichts, was mich freuet,
Verlassen steht ein Baum im Feld,
Hat längst sein Laub verstreuet.
Der Wind nur geht bei stiller Nacht
und rüttelt an dem Baume.
Da rührt er seine Wipfel sacht
Und redet wie im Traume.
Er träumt von künftger Frühlingszeit,
Von Grün und Quellenrauschen.
Wo er im neuen Blütenkleid
Zu Gottes Lob wird rauschen.
Joseph Freiherr von Eichendorff (1788-1857)
Morgensonne im Winter
Auf den eisbedeckten Scheiben
fängt im Morgensonnenlichte
Blum und Scholle an zu treiben.
Löst in diamantnen Tränen
ihren Frost und ihre Dichte,
rinnt herab in Perlensträhnen.
Herz, o Herz, nach langem Wähnen
laß auch deines Glücks Geschichte
diamantne Tränen schreiben!
Christian Morgenstern (1871-1914)
Erster Schnee
Wie nun alles stirbt und endet
und das letzte Lindenblatt
müd sich an die Erde wendet
in die warme Ruhestatt.
So auch unser Tun und Lassen,
was uns zügellos erregt,
unser Lieben unser Hassen
sei' ins welke Laub gelegt!
Reiner weisser Schnee, oh schneie,
decke beide Gräber zu,
dass die Seele uns gedeihe
still und kühl in Wintersruh!
Bald kommt jene Frühlingswende,
die allein die Liebe weckt,
wo der Hass umsonst die Hände
dräuend aus dem Grabe streckt.
Gottfried Keller (1819-1890)
Winterlandschaft
Unendlich dehnt sie sich, die weiße Fläche,
bis auf den letzten Hauch von Leben leer;
die muntern Pulse stocken längst, die Bäche,
es regt sich selbst der kalte Wind nicht mehr.
Der Rabe dort, im Berg von Schnee und Eise,
erstarrt und hungrig, gräbt sich tief hinab,
und gräbt er nicht heraus den Bissen Speise,
so gräbt er, glaub' ich, sich hinein ins Grab.
Die Sonne, einmal noch durch Wolken blitzend,
wirft einen letzten Blick auf's öde Land,
doch, gähnend auf dem Thron des Lebens sitzend,
trotzt ihr der Tod im weißen Festgewand.
Christian Friedrich Hebbel (1813-1863)
Schneeglöckchen
's war doch wie ein leises Singen
In dem Garten heute nacht,
Wie wenn laue Lüfte gingen:
"Süße Glöcklein, nun erwacht,
Denn die warme Zeit wir bringen,
Eh's noch jemand hat gedacht." -
's war kein Singen, 's war ein Küssen,
Rührt' die stillen Glöcklein sacht,
Daß sie alle tönen müssen
Von der künftgen bunten Pracht.
Ach, sie konntens nicht erwarten,
Aber weiß vom letzten Schnee
War noch immer Feld und Garten,
Und sie sanken um vor Weh.
So schon manche Dichter streckten
Sangesmüde sich hinab,
Und der Frühling, den sie weckten,
Rauschet über ihrem Grab.
Joseph von Eichendorff (1788-1857)
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TEIL 1: Der Winter - Die dunkle Jahreszeit
TEIL 2: Fit durch den Winter
TEIL 3: Winterdepressionen - Ursachen und Abhilfe