von: Andreas Heinzel
erschienen: mainbook
am 05.05.2021
Frankfurt – eine Stadt der Vielfalt, eine schmucke Mischung aus Traditionellem und Moderne mit vielen Orten voller Kultur und Geselligkeit. Doch hinter der schönen Fassade brodelt es gewaltig. Hier tut sich so mancher tiefer Abgrund auf – moralisch, menschlich und gesellschaftlich. Klingt furchtbar? Ist es auch – furchtbar unterhaltsam! Zumindest auf die Art und Weise, wie derartige Abgründe von Andreas Heinzel beschrieben werden. Mit "Eine Stadt dreht durch" hat Heinzel nach zwei Romanen seine erste Sammlung satirischer Kurzgeschichten veröffentlicht. Und die zeigen Frankfurt und seine Menschen nicht gerade von ihrer positivsten Seite. Das ist böse, humorvoll und hintergründig. Einige der Geschichten mögen etwas überzeichnet wirken, doch im Kern steckt meist eine ganze Menge Wahrheit. Deshalb regen die Storys oft nicht nur zum Lachen oder Schmunzeln, sondern auch zum Nachdenken an.
Heinzel hat viel Lokalkolorit in das Buch gepackt. So spielen das Berger Straßenfest, die Eintracht, die Innenstadt oder der Ebbelwoi eine große Rolle. Gleichzeitig – und das ist ein besonders gelungener Aspekt des Buches – sind die Geschichten sehr universell. Dass Wohnungsknappheit und Mietwahnsinn absurde Auswüchse annehmen kann, kennt man eben nicht nur in Frankfurt. Gleiches gilt für Streitigkeiten in Kleingartenanlagen oder ausufernder Neid von Mitmenschen nach einem (vermeintlichen) Lottogewinn. So funktionieren die Geschichten sowohl als Frankfurter Short Storys, aber auch als ganz allgemeine Gesellschaftssatire.
Bei einigen der Kurzgeschichten erscheint es sehr offensichtlich, dass die darin beschriebenen Ereignisse arg übertrieben dargestellt sind. Doch bei genauerer Überlegung wirken sie dann doch gar nicht so weit hergeholt. Wie hier etwa einige Frankfurterinnen und Frankfurter verzweifelt um eine neue Wohnung kämpfen, könnte irgendwann vielleicht in ähnlicher Form Wirklichkeit werden. Und auch die Vorschläge eines besonders findigen Marketingexperten, wie man das Image von Frankfurt verändern könnte, könnten einige seiner realen Kolleg*innen gar nicht so übel finden. Andere Geschichten, wie die eines Vaters und seinem Fußballer-"Wunderkind", sind der Realität verdammt nahe, was das Lesevergnügen sogar noch steigert.
Auch wenn eigentlich alle Geschichten überzeugen können, gibt es einige, die einfach intensiver wirken, als der Rest. Ganz besonders trifft das auf die erste Story zu, die so herrlich böse ist und die Liebe zur Eintracht auf ganz besonders originelle Art in das Geschehen hineinwebt. Aber auch "Der Flügelschlag des Schmetterlings", wo deutlich wird, wie ein nervender Beifahrer eine ganze Stadt ins Chaos stürzen kann, gehört zu den Highlights dieses Buches, in dem der ganz alltägliche Wahnsinn in Frankfurt wunderbar entlarvt wird. Wer es also gerne hintersinnig und grotesk, lustig und bisweilen auch richtig böse mag, der sollte sich "Eine Stadt dreht durch" nicht entgehen lassen. Absolut lesenswert!
Ein Artikel von Sebastian Betzold