Mit einer feierlichen Preisverleihung und dem Abschlussfilm Too Late To Die Young endete das 12. LICHTER Filmfest Frankfurt International am Sonntagabend. Vom 26. März bis 31. März hatte das Festival das Theater Willy Praml (Naxoshalle), das Mal Seh‘n Kino, die Harmonie Kinos, das DFF – Deutsches Filmmuseum & Filminstitut, die Pupille sowie das Festivalzentrum TOR Art Space mit über 100 Filmen, anschließenden Gesprächsrunden und Begleitveranstaltungen bespielt. Ein Rekord in zwölf Jahren LICHTER: Noch nie wurden so viele Kinokarten verkauft und waren so viele Vorstellungen ausverkauft wie in diesem Jahr. Gegenüber dem letzten Jahr fanden aber weniger Veranstaltungen statt, weshalb das Festival insgesamt 10.000 Besuchende verzeichnete.
Im Mittelpunkt der 12. LICHTER-Ausgabe stand das Jahresthema NATUR. „Wie in den vergangenen Jahren haben wir mit unserem Schwerpunkt den Nerv der Zeit getroffen. Film als Medium der Naturerfahrung ist perfekt, um zu verdeutlichen, dass wir endlich mehr Verantwortung übernehmen und unser Verhalten gegenüber unserer Umwelt verändern müssen“, sagt LICHTER-Festivaldirektor Gregor Maria Schubert.
Zukunft Deutscher Film
Bereits in den vergangenen beiden Jahren hat LICHTER in seinem Filmprogramm nicht nur internationale Film-Highlights präsentiert und die besten Lang- und Kurzfilme aus Hessen und Rhein-Main gezeigt, sondern auch eine Auswahl der besten aktuellen Filme aus Deutschland zusammengetragen. Wegweisende Erstlingswerke, gefeierte Festivallieblinge und neue Regie-Hoffnungen für den deutschen Film sind seitdem fester Bestandteil des Festivals in der Sektion „Zukunft Deutscher Film“.
Im Begleitprogramm Zukunft Deutscher Film diskutierten Vertreter*innen aus Filmbranche und Politik über die Fortführung der Frankfurter Positionen, die im vergangenen Jahr beim 11. LICHTER Filmfest entstanden sind. „Auch in diesem Jahr haben wir uns wieder für ein Kino der Kunstfreiheit eingesetzt. Zukünftig wollen wir unter dem Begriff ‚Zukunft Deutscher Film‘ mehr filmpolitische Initiativen bündeln und die strategische Frage ‚Reform oder Revolution‘ verhandeln“, sagt Johanna Süß, stellvertretende Festivaldirektorin.
Der regionale LICHTER Wettbewerb
Aus neun Beiträgen im Regionalen Langfilm-Wettbewerb der Dr. Marschner Stiftung wurde Khrustal (Crystal Swan) von der Regisseurin Darya Zhuk mit dem Weißen Bembel und einem Preisgeld in Höhe von 3.000 Euro geehrt. In dem Film träumt eine DJane in Weißrussland davon, nach Chicago zu reisen und in der Geburtsstätte der House Music ganz groß rauszukommen. Doch der Weg dahin ist in der post-sowjetischen Republik in den frühen 1990er Jahren steinig. „Darya Zhuk hüllt ihre Zuschauer*innen in eine poppig-bunte Bilderwelt, um sie dann mit einem jähen Einbruch von Gewalt zu überraschen. Dabei gelingt es dem Film, jenseits von rührigem Sozialdrama Abgründigkeit vorzuführen statt Tiefgründigkeit zu simulieren. Lust- und humorvoll, dabei weder voyeuristisch noch klamottig, setzt er die Frage „Bleiben oder gehen?“ so in Szene, dass das Publikum Raum hat, ein echtes Gefühl für die Ambivalenz einer gesellschaftlichen Situation zu entwickeln“, heißt es in der Jury-Begründung, die aus der Schauspielerin Jenny Schily, der Produzentin Birgit Gamke und der Regisseurin Susanne Heinrich bestand. Die in Frankfurt aufgewachsene Produzentin Birgit Gernböck nahm dem Preis im Rahmen der feierlichen Verleihung entgegen.
Eine lobende Erwähnung erhielt Barstow, California von Rainer Komers. Das dokumentarische Porträt über eine Kleinstadt an der Route 66 überzeugte die Jury durch seine stimmungsvollen Aufnahmen aus der Mojave-Wüste, die sich zu einem zärtlich-zurückhaltenden Abgesang auf eine vergessene Gegend verwebt, deren glorreiche Vergangenheit nur noch in den bisweilen utopisch anmutenden Erinnerungen aufblitzt.
Den Preis für den besten regionalen Kurzfilm ging an den Dokumentarfilm We Will Survive, in dem Nele Dehnenkamp die Bewohner*innen des Julie-Roger-Haus besuchte, die dort ihren Lebensabend verbringen. „Der Film zeigt eine besondere Stärke darin, den dortigen Alltag so zu porträtieren, dass die Lebensqualität trotz der Beschwerlichkeiten des Alters emotional für die Zuschauer*innen erlebbar wird“, lautet es in der Begründung der Jury. Ralph Förg (Geschäftsführer Filmhaus Frankfurt), Isabel Gasthof (Regisseurin), Jonatan Schwenk (Filmemacher und Animator) lobten die humorvolle und einfühlsame Herangehensweise der Regisseurin. We will survive sei eine Dokumentation, die einem die Angst vor dem Älterwerden nimmt. Dehnenkamp darf sich über 1.000 Euro Preisgeld freuen. Bei der Preisverleihung wurde sie durch ihren Kameramann Bo-Christian Riedel-Petzold vertreten.
Der Binding Publikumspreis
Der Binding Publikumspreis gibt den Besucher*innen des LICHTER Filmfests die Möglichkeit, ihren persönlichen Favoriten zu küren. Der Preis ist mit 2.000 Euro dotiert und geht in diesem Jahr an The Watson‘s Hotel. In dem Dokumentarfilm spüren die Regisseure Peter Rippl, Ragunath Vasudevan und Nathaniel Knop die Geschichte eines Hotels aus dem 19. Jahrhundert in der indischen Hauptstadt Mumbai auf, in dem sich Kino- und Kolonialgeschichte treffen.
Virtual Reality Storytelling Wettbewerb
Der LICHTER VR Storytelling Award ging in diesem Jahr an The Real Thing von Benoit Felici. Bereits zum zweiten Mal präsentierte das Festival speziell für VR-Brillen entwickelte 360-Grad-Filme in dem international ausgeschriebenen Wettbewerb. Die fünf Finalist*innen wurden von einer Jury bestehend aus VR-Regisseurin Ricarda Saleh, Kai Beck (ZDF digital) und Philip Weiss (metricminds) aus über 90 Einreichungen ausgewählt. Die VR-Screenings wurden in Zusammenarbeit mit Pico Interactive und VRCM durchgeführt und waren erneut restlos ausverkauft.
Der LICHTER Art Award
Für WEIGHT ist der Künstler und Filmemacher Andrew de Freitas bereits am Dienstagabend mit dem LICHTER Art Award ausgezeichnet worden. Der Wettbewerb für zeitgenössische Videokunst ist mit einem Preisgeld von 1.000 Euro dotiert. Über 120 Werke wurden für die achte Ausgabe des Art Award eingereicht. In Form eines Interviewfilms spricht der Regisseur mit seiner Freundin Lees Brenson, einer Trans-Musikerin und Performerin. Brenson, die aus der Ukraine nach Kanada kam, erzählt von ihrer Kindheit, schlecht bezahlten Gelegenheitsjobs, der eigenen Musik und ihren Performances. Gemeinsam reflektieren sie über die Beziehung zwischen dem eigenen Körpergewicht, Musik und dem Gefühl von Komfort.
Die Juror*innen Tamara Grcic (Professorin an der Kunsthalle Mainz), Christina Lehnert (Kuratorin der Kunsthalle Portikus) und Saul Judd (Kurator des LICHTER Art Award) lobten in ihrer Laudatio die äußerst offene visuelle Dokumentation, die als Prolog der Lebensgeschichte vieler anderer Personen interpretiert werden kann.