Wie nahezu alle Veranstaltungen ist auch die beliebte Bahnhofsviertelnacht in diesem Jahr dem Coronavirus zum Opfer gefallen. In der klassischen Form kann das Event natürlich 2020 nicht stattfinden. Und so haben sich die Verantwortlichen eine Alternative ausgedacht: Das Bahnhofsviertel kann sich in diesem Jahr digital vorstellen. „Das Bahnhofsviertel ist ein Stadtteil mit einem besonderen Flair, er ist bunt, vielfältig und einzigartig. Wir möchten auch in diesem ungewöhnlichen Jahr den Frankfurterinnen und Frankfurtern die Möglichkeit geben, zumindest einen virtuellen Rundgang durch den Stadtteil zu machen. Auch online können wir rund um den Hauptbahnhof vieles entdecken und uns für die Zeit nach der Pandemie inspirieren lassen“, sagt Oberbürgermeister Peter Feldmann, der die Zuschauer in einem Video begrüßt, das speziell für die Online-Ausgabe der Bahnhofsviertelnacht produziert wurde.
Natürlich kann ein Video nicht die besondere Atmosphäre der Großveranstaltung, zu der durchschnittlich rund 45.000 Besucher*innen kommen, einfangen. Doch um die vielen Facetten des Bahnhofsviertels – die schönen wie auch die Schattenseiten – zu präsentieren, ist das etwa einstündige Video sehr gut geeignet. Zu sehen ist es seit Donnerstag, 20. August, um 18 Uhr auf der Website unter http://www.bahnhofsviertel-ffm.de. Es stellt insgesamt rund 50 Gastronomen, Unternehmer, Künstler und Einrichtungen aus dem Quartier vor, die sonst bei der Bahnhofsviertelnacht ihre Türen für Gäste öffnen und ihre Arbeit und ihr Leben vor Ort vorstellen. Sie erzählen in dem Video, wie ihre tägliche Arbeit abläuft, was sie ins Bahnhofsviertel gebracht hat und was sie mit dem Stadtteil verbindet. Dabei werden durchaus auch mal kritische Stimmen – auch über die Bahnhofsviertelnacht an sich – laut.
Unter den 50 Teilnehmern dieser virtuellen Bahnhofsviertelnacht finden sich zum Beispiel die Bahnhofsmission und das Weser5 Diakoniezentrum. Die sozialen Einrichtungen leisten im Bahnhofsviertel harte Arbeit. Im Weser5 Diakoniezentrum finden Obdachlose Unterstützung und ein Dach über dem Kopf – auch in Pandemiezeiten. „Wir haben die Corona-Zeit bis jetzt als eine Zeit erlebt, in der wir sehr viel Solidarität erfahren haben“, sagt Jürgen Mühlfeld, Leiter des Diakoniezentrums, und berichtet von vielen Kleiderspenden und hilfsbereiten Flugbegleiterinnen, die während ihrer Kurzarbeit das Zentrum unterstützt haben. Die Bahnhofsviertelnacht ist für ihn eine Möglichkeit der Begegnung in einem Viertel der Kontraste: „Mein Bahnhofsviertel ist vielfältig und bunt. Ein Ort, wo Arm und Reich sich begegnet: Obdachlose und Banker, Drogenabhängige und Touristen.“
Carsten Baumann leitet die Bahnhofsmission, die rund um die Uhr geöffnet ist und Menschen ohne Voranmeldung kostenlos weiterhilft, beispielsweise mit Notappartements für Frauen, die keinen Platz mehr im Frauenhaus gefunden haben. Und natürlich ist sie auch ein Ort der Ruhe, samt einer Kirche am Hauptbahnhof. Der Stadtteil ist für Baumann ein ganz besonderer Fleck in der Stadt: „Das Bahnhofsviertel ist für mich ein Multi-Kulti-Zusammenschnitt. Hier merkt man, wie das Leben pulsiert – ich finde es immer wieder schön, das zu erleben.“
Beide Institutionen beteiligen sich an einer Spendenaktion, die die Stadt für die virtuelle Bahnhofsviertelnacht ins Leben gerufen hat. Unter http://www.bahnhofsviertel-ffm.de/spenden können die Besucher direkt an das Diakoniezentrum und die Bahnhofsmission spenden und deren Arbeit unterstützen.
Oberbürgermeister Feldmann sagt: „Wir schauen nicht weg. Es gibt kaum einen Stadtteil, in dem die Probleme dieser Stadt so sichtbar sind wie im Bahnhofsviertel, und hier sehen wir die Auswirkungen der Corona-Pandemie besonders deutlich.“ Die Situation im Viertel hat sich für viele Anwohner, Geschäftsleute und Besucher durch die Corona-Pandemie verschärft. Sucht, Obdachlosigkeit und Elend sind offensichtlicher geworden. „Es ist an uns, nicht die Augen vor all dem zu verschließen und zu helfen, damit das Bahnhofsviertel der lebendige Stadtteil bleibt, den wir so lieben“, lädt Feldmann die Frankfurter dazu ein, sich an der Spendenaktion zu beteiligen – damit das Bahnhofsviertel seinen einzigartigen Charakter behält und seine Bewohner nächstes Jahr – hoffentlich – wieder zur Bahnhofsviertelnacht in ihren Stadtteil einladen können.
Auch die Musiker von Gastone sind bei der digitalen Ausgabe mit dabei – die Frankfurter Band wäre eigentlich bei der Bahnhofsviertelnacht aufgetreten. Im Video spielt Bandleader Giuseppe Porello eine Akustikversion des Songs „Bessere Welt“ auf der Gitarre. Und auf die freuen wir uns alle!