Die Frankfurt-Tipp Bewertung: |
Originaltitel: | 45 Years |
Genre: | Drama |
Regie: | Andrew Haigh |
Kinostart: | 10.09.2015 |
Produktionsland: | Großbritannien 2015 |
Laufzeit: | ca. 95 Min. |
FSK: | ab 0 Jahren |
Webseite: | www.45-years.de |
Seit fast 45 Jahren sind Kate (Charlotte Rampling) und Geoff (Tom Courtenay) verheiratet. Auch wenn ihre Ehe kinderlos geblieben ist, waren es sehr glückliche und erfüllte Jahre, nach denen sie sicher sind, den Anderen genau zu kennen. Doch ausgerechnet während der Vorbereitungen zu ihrem 45. Hochzeitstag erhält Geoff eine Nachricht, die ihn völlig aus der Bahn wirft: die Leiche seiner großen Jugendliebe wird 50 Jahre nach deren Unfalltod im Gletschereis gefunden. Fast unmerklich lässt der Fund in Geoff alte Gefühle und Sehnsüchte wiedererwachen. Und in Kate werden erstmals Zweifel wach, ob ihre Ehe wirklich so von Glück, Liebe und Ehrlichkeit erfüllt ist, wie sie das in den letzten vier Jahrzehnten geglaubt hatte…
"45 Years" ist die Chronologie einer Woche im Leben eines Ehepaares, das feststellen muss, wie zerbrechlich Liebe und Vertrauen auch nach 45 Jahren sein kann. Mit sehr viel Ruhe und dramaturgischer Zurückhaltung zeichnet Regisseur Andrew Haigh nach, wie schnell ein Mensch, der einem eigentlich absolut vertraut ist, fremd werden kann und wie verletzlich sorgsam aufgebautes Glück sein kann. Auch wenn das Ganze vorrangig aus der Sicht von Kate erzählt wird, versucht Haigh zu zeigen, wie unterschiedlich Kate und Geoff mit der Situation umgehen. Das führt dann zu einem Finale, das eigentlich sehr berührend und hoffnungsvoll ist, durch einen letzten Blick von Kate sich aber im Ton komplett wandelt.
Für ihr subtiles, dabei aber durchaus intensives Spiel sind Charlotte Rampling und Tom Courtenay bei der Berlinale jeweils mit einem Silbernen Bären ausgezeichnet worden. Das ist vollkommen gerechtfertigt, denn auch wenn sie nicht wirklich viel machen, als zu reden oder intensiv nachdenkend ins Leere zu blicken und auch wenn der Film selbst mit Dialogen recht sparsam umgeht, so können die Beiden doch mit ihrer Mimik ungeheuer viel aussagen und auch mit kleinen Gesten den Zuschauer an die sehr getragen erzählte Geschichte fesseln.
So lebt der Film dann auch vom Spiel der beiden Hauptdarsteller, von der sich immer stärker verdichtenden Atmosphäre und von seiner sehr stimmungsvollen Bildsprache. Diese Kombination erleichtert es dem Zuschauer auch, Zugang zu der ansonsten etwas sperrigen Inszenierung zu bekommen. Trotzdem ist es eine Grundvoraussetzung, dass man ein Faible für einen langsamen Erzählfluss, karge Dialogstrukturen und eine minimale, aufs absolut Wesentliche reduzierte Dramaturgie hat. Ansonsten könnte das, was durchaus intensiv und bewegend sein kann, in zähe Langeweile ausarten. Doch wer sich auf die Erzählweise einlassen kann und sehr subtile Szenen einer Ehe erleben möchte, der sollte sich dieses leise Drama auf keinen Fall entgehen lassen. Sicherlich eher etwas für die Generation 50+, aber auch für jüngere Liebhaber von starkem Schauspielerkino durchaus sehenswert!
Ein Artikel von Sebastian Betzold