Die Frankfurt-Tipp Bewertung: |
Originaltitel: | Far from the madding Crowd |
Genre: | Drama, Romantik |
Regie: | Thomas Vinterberg |
Kinostart: | 16.07.2015 |
Produktionsland: | USA/Großbritannien 2015 |
Laufzeit: | ca. 119 Min. |
FSK: | ab 6 Jahren |
Webseite: | www.Am-gruenen-Rand-der-Welt.de |
Die Bäuerin Bathsheba Everdene (Carey Mulligan) führt m England des 19. Jahrhunderts ein bescheidenes, aber glückliches Leben. Sie genießt es, unabhängig zu sein und selbst für ihren Lebensunterhalt aufkommen zu können. Obwohl sie sich von dem Schäfer Gabriel Oak (Matthias Schoenaerts) angezogen fühlt, lehnt sie einen Heiratsantrag von ihm ab. Ihre Unabhängigkeit ist ihr einfach zu wichtig. Jahre später kreuzen sich die Wege der Beiden erneut. Während Gabriel seine gesamte Herde verloren hat und auf der Suche nach Arbeit ist, ist Bathsheba durch ein Erbe zur wohlhabenden Gutsbesitzerin aufgestiegen. An ihrer Lebenseinstellung hat sich dagegen wenig geändert, weshalb sie nicht nur bereit ist, Gabriel eine Anstellung als Schäfer zu geben. Auch einen Antrag des wohlhabenden William Boldwood (Michael Sheen) lehnt sie trotz aller Vorteile ab. Es scheint so zu sein, dass die junge Frau ihr Leben einfach nicht von einem Mann bestimmen lassen möchte. Das ändert sich ausgerechnet, als sie den charmanten Offizier Frank Try (Tom Sturridge) kennen lernt. Plötzlich wirft sie all ihre Vorbehalte über Bord und trifft eine vorschnelle Entscheidung – mit fatalen Folgen…
Der Schriftsteller Thomas Hardy (1840 – 1928) war nicht nur ein Meister darin, epische Geschichten zu erzählen. Immer wieder hat er in seinen Büchern auch sehr moderne Frauenfiguren geschaffen, die so gar nicht dem Ende des 19. Jahrhunderts vorherrschenden Frauenblind entsprachen. Eine der wohl besten und beliebtesten Figuren aus der Feder Hardys ist Bathsheba Everdene aus "Am grünen Rand der Welt", die bis heute Inspirationsfigur für zahlreiche andere literarische Charaktere ist. Kantniss Everdeen aus "Die Tribute von Panem" etwa ist eins der jüngsten Beispiele für Romanfiguren, die in Anlehnung an Bathsheba entstanden sein sollen. Auch der dänische Filmemacher Thomas Vinterberg, der zuletzt mit dem intensiven Drama "Die Jagd" begeistern konnte, ist generell fasziniert von komplexen und starken Charakteren. Daher war er sicherlich die perfekte Wahl, um einen Roman von Thomas Hardy für die Leinwand zu adaptieren.
"Am grünen Rand der Welt" ist der wohl bislang konventionellste und kommerziellste Film von Vinterberg. Er liefert sehr gradliniges, großes Gefühlskino ab, das wenige Überraschungen bietet. Nur in einigen Momenten, wie etwa beim dramatischen Ableben von Gabriels Schafherde, ist die ganz besondere Ästhetik Vinterbergs erkennbar. Dass der Film ansonsten aber eher die gewöhnlichen Pfade gängiger Kostümdramen beschreitet, sollte nicht als negative Kritik verstanden werden. Denn abgesehen von einigen kleineren Längen ist Vinterberg eine sehr gute Romanadaption gelungen, die mit einer wundervollen Bildsprache, starken Darstellern und einer zu Herzen gehenden Geschichte punkten kann.
Dabei wurde die umfangreiche Buchvorlage freilich deutlich gekürzt. Doch Drehbuchautor David Nicholls ("Große Erwartungen", "Zwei an einem Tag"), selber erfolgreicher Schriftsteller, schafft es sehr gut, die Geschichte aufs Wesentliche zu reduzieren, ohne dass allzu große Lücken entstehen. Zwar gibt es einige Momente, die etwas gehetzt wirken oder bei denen man sich gewünscht hätte, dass sie etwas mehr in die Tiefe gegangen wären. Doch alles in allem hinterlässt die Adaption nicht nur einen sehr positiven Gesamteindruck, sondern gerade für Hardys Werk auch eine ungewöhnliche Leichtigkeit, von der besonders der Unterhaltungswert des Films deutlich profitieren kann.
Auch die Darsteller liefern insgesamt sehr gute Leistungen ab. Carey Mulligan mag in jeder Szene so aussehen, als würde sie gleich losheulen und auch Matthias Schoenaerts kann nicht seine gesamte schauspielerische Bandbreite offenbaren. Doch ihr Spiel passt sehr gut zu den Rollen, die sie verkörpern. Wirklich wunderbar ist Michael Sheen als hoffnungslos romantischer Großgrundbesitzer, der auch in Momenten größter Enttäuschung ein Gentleman bleibt und sich am Ende als sehr nobler Verlierer offenbart. Und Tom Sturridge schließlich schafft es sehr gut, nicht nur Bathsheba, sondern auch die Zuschauer mit seinem anfänglichen Charme zu täuschen.
"Am grünen Rand der Welt" ist ein Muss für alle Liebhaber von großem Gefühlskino und von epischen Kostümdramen. Wer nicht mehr erwartet, als eine bildgewaltige Romanadaption über Liebe und Unabhängigkeit im viktorianischen England, der sollte sich dieses Werk nicht entgehen lassen. Sehenswert!
Ein Artikel von Sebastian Betzold