Die Frankfurt-Tipp Bewertung: |
Originaltitel: | Captain Fantastic |
Genre: | Drama, Tragikomödie |
Regie: | Matt Ross |
Kinostart: | 18.08.2016 |
Produktionsland: | USA 2016 |
Laufzeit: | ca. 120 Min. |
FSK: | ab 12 Jahren |
Webseite: | www.Captain-Fantastic-Film.de |
Smartphones, YouTube, Fast Food, Computerspiele, Shopping – all das gibt es für die sechs Kinder von Ben (Viggo Mortensen) nicht. Denn sie leben mit ihrem Vater zurückgezogen in der Wildnis im Nordwesten Amerikas. Hier bringt Ben seinen Kindern alles nötige Wissen über Geschichte, Politik und Literatur, aber auch über das Überleben in der Wildnis bei. Als seine Frau stirbt, sieht sich Ben gezwungen, mit seinen Kindern die selbst geschaffene Idylle zu verlassen und in seinem alten Bus quer durch die USA zu reisen, damit seine Kinder bei der Beerdigung Abschied von ihrer Mutter nehmen können. Doch als sie nach einer turbulenten Reise bei den trauernden Großeltern ankommen, sieht sich Ben mit einer kompletten Ablehnung all seiner Ideale konfrontiert. Und plötzlich muss er nicht mehr nur darum kämpfen, seiner Frau ihren letzten Wunsch zu erfüllen…
"Captain Fantastic" ist ein tragikomisches Roadmovie, das endlich einmal eine erfrischend andere Familiengeschichte erzählt. Mit viel Herz und Humor gewährt Regisseur Matt Ross seinen Zuschauern einen Einblick in einen sehr ungewöhnlichen Lebensentwurf, bei dem sich die Familie von der Zivilisation abgewandt und sich ein eigenes kleines Paradies geschaffen hat. Das wird von Ross aber nicht in glattgebügelter Hollywood-Manier idealisiert, sondern mit all seinen Vorzügen und Schattenseiten dargestellt. Dabei mutet der von Viggo Mortensen großartig verkörperte Patriarch Ben nicht unbedingt wie ein echter Sympathieträger an. Gerade sein Verhalten seinem ältesten Sohn (George MacKay) gegenüber wird von den meisten Zuschauern bestimmt nicht als besonders nett empfunden. Doch mit der Zeit hilft die Geschichte dabei, Ben und das schwierige Verhältnis zwischen ihm und seinen Sohn besser zu verstehen.
Natürlich ist die Entwicklung, die gerade Ben hier durchmacht, nicht ganz frei von Klischees. Und die Auflösung der Geschichte wirkt dann doch ein wenig zu glatt und harmonisch, um dem ansonsten angenehm bissigen Ton des Films entsprechen zu können. Doch auch wenn es kleine Schönheitsfehler wie diese geben mag, so kann die Inszenierung doch insgesamt mit einer sehr interessanten Charakterzeichnung und einer tiefgründigen Geschichte punkten, die trotz einiger schwerer Themen und düsteren Momenten mit einer sehr positiven Leichtigkeit erzählt wird. Matt Ross schafft das leider zur Rarität gewordene Kunststück, kurzweiliges Unterhaltungskino zu präsentieren, das nebenbei noch jede Menge Stoff zum Nachdenken und Philosophieren bietet.
Um die verschiedenen Facetten der Geschichte, das gute Spiel der Darsteller, die schönen Bilder und die gelungene Inszenierung wirklich schätzen zu können, sollte allerdings ein Faible für amerikanisches Independent-Kino bestehen. Denn gerade der erste Akt des Films ist für Zuschauer, die eher temporeiches Mainstream-Kino lieben, mitunter doch ein klein wenig zu sperrig geraten. Man muss gewillt sein, in den Erzählfluss hineinzufinden. Ansonsten wirkt "Captain Fantastic" schnell etwas zäh oder sogar langweilig. Wem es aber gelingt, sich auf den Film einzulassen, der bekommt hier ein wirklich schönes und bewegendes Drama geboten, das zeigt, dass Lachen selbst in den dunkelsten Stunden so unglaublich wichtige Sonnenstrahlen ins Leben bringen kann. Er zeigt aber auch, wie wichtig es sein kann, von seinen festen Überzeugungen abzurücken und offen für Kompromisse zu sein, um wirklich glücklich leben zu können. Und dafür gibt es trotz einiger kleiner Punktabzüge dann unterm Strich auch ein klares: Absolut sehenswert!
Ein Artikel von Sebastian Betzold