Die Frankfurt-Tipp Bewertung: |
Originaltitel: | Cherry |
Genre: | Drama, Kriegsfilm |
Regie: | Anthony Russo, Joe Russo |
Kinostart: | 12.03.2021 |
Produktionsland: | USA 2020 |
Laufzeit: | ca. 140 Min. |
FSK: | ab 18 Jahren |
Als seine Freundin Emily (Ciara Bravo) ihm mitteilt, dass sie nach Kanada ziehen möchte, bricht für einen jungen College-Studenten (Tom Holland) seine Welt zusammen und er meldet sich beim Militär. Nach seiner Ausbildung wird er in den Irak geschickt, wo er als Sanitäter den Spitznamen Cherry erhält. Hier erlebt er ein unvorstellbares Grauen, das ihn auch nach seiner Rückkehr nicht mehr loslässt. Eigentlich möchte er mit Emily an seiner Seite ein neues Leben beginnen. Doch die Bilder aus dem Kriegseinsatz lassen ihn nicht mehr los. Cherry versucht diesen durch Drogen zu entfliehen, macht dadurch sein Elend aber nur noch größer – zumal er auch Emily mit hinein zieht. Bald schon steht er von dem Nichts und ihm bleibt nur ein Ausweg: Ein Banküberfall…
Mit ihrer letzten Regiearbeit haben die Brüder Anthony und Joe Russo nicht weniger als einen der kommerziell erfolgreichsten Filme aller Zeiten abgeliefert. Auf ihr Superhelden-Epos "Avengers: Endgame" folgt nun das Drama "Cherry - Das Ende aller Unschuld", basierend auf dem autobiografischen Roman von Nico Walker. Mit dem großen Popcorn-Kino aus dem Marvel-Universum hat der neue Film der Russo-Brüder nur wenig gemein. Die Regisseure vermischen hier zahlreiche Film-Genres und Stilmittel miteinander, was den Film trotz seiner Laufzeit von fast zweieinhalb Stunden – zumindest auf stilistischer Ebene – stets spannend und überraschend macht. Farbgebung, Bildformat, Erzählperspektive – all das ändern die Russos hier immer wieder. Was als noch recht konventionelle Romanze beginnt, wandelt sich zunächst in einen brutalen Kriegsfilm, der dann wiederum zum handfesten Drogendrama mutiert.
Ein wirklich einheitliches Bild gibt der Film nicht ab. Es wirkt ein wenig so, als hätten sich die Russo Brüder kreativ mal so richtig austoben wollen. Auf der anderen Seite funktioniert der Stilmix ganz gut. Schließlich werden einzelne Stationen aus Cherrys Leben beleuchtet (nicht umsonst ist der Film in einzelne Kapitel unterteilt), die zwar zusammenhängen, aber für sich genommen sehr unterschiedlich sind. Trotzdem: Einfache Kost ist das nicht. Es gibt zwar immer wieder leichtere, fast schon amüsante Momente. Insgesamt aber ist der Film brutal, rau und voller Tristesse, dazu kommt dann noch die mitunter etwas anstrengende, wirre Erzählweise.
Man muss sich darauf einlassen wollen und können, um die vielen positiven Aspekte, die "Cherry - Das Ende aller Unschuld" bei aller berechtigten Kritik, aufzuweisen hat, erkennen und schätzen zu können. Tom Hollands Darstellung etwa ist wirklich stark, könnte aber auf Zuschauer, die keinen Zugang zum Film finden, etwas zu angestrengt wirken. Aber ganz egal, ob man nun eine gewisse Genialität in dem dramaturgisch wie stilistisch leicht überfrachteten Film entdeckt oder davon so gar nicht abgeholt wird, eines muss man Anthony und Joe Russo lassen: Die Beiden haben sich nicht auf ihren Lorbeeren ausgeruht und haben nicht einfach das Erfolgskonzept ihrer vorherigen Filme kopiert. Ob das, was sie für Apple + inszeniert haben, am Ende funktioniert, mag in den Augen des Betrachters liegen.
Fakt ist aber, dass sich die Regisseure, aber auch ihr Hauptdarsteller mit diesem Film weiterentwickelt haben – und das ist schon mal mehr als lobenswert. Und obwohl ich persönlich den Film gerade in der zweiten Hälfte etwas ermüdend fand und ich emotional nur in vereinzelten Szenen abgeholt wurde, finde ich die künstlerische Intention hinter dem Werk absolut gelungen. Und deshalb gibt es unterm Strich auch trotz einiger Schwächen noch ein zufriedenes: Sehenswert!
"Cherry - Das Ende aller Unschuld" ist ab sofort auf Apple + abrufbar.
Ein Artikel von Sebastian Betzold