Die Frankfurt-Tipp Bewertung - Film: | |
Ausstattung: |
Genre: | Drama |
Regie: | Uli Edel |
Verkaufsstart: | 07.04.2022 |
Produktionsland: | Deutschland 1981 |
Laufzeit: | ca. 131 Min. |
FSK: | ab 16 Jahren |
Anzahl der Disc: | 1 |
Sprachen: | Deutsch (DTS-HD Master Audio 2.0 + 5.1) |
Untertitel: | Deutsch für Hörgeschädigte, Englisch |
Bildformat: | 16:9 (1,78:1) 1080/24p |
Extras: | Audiokommentar mit Regisseur Uli Edel, Interview, Casting-Einblicke |
Regionalcode: | B |
Label: | EuroVideo |
Film: Berlin, Mitte der 1970er Jahre: Hier lebt die 13-jährige Christiane F. (Natja Brunckhorst) in einer tristen Hochhaussiedlung. Durch ihre Freunde kommt sie erstmals in Kontakt mit Hasch und anderen illegalen Drogen. Die Nächste verbringt die Clique in der Diskothek Sound, wo Christiane auch härtere Drogen konsumiert, bis sie schließlich Heroinabhängig wird. Um ihre Sucht zu finanzieren, muss sie am Bahnhof Zoo auf den Strich gehen, wo sich auch ihr Freund Detlef prostituiert. Ein gemeinsamer Entzugsversuch scheitert kläglich und das Mädchen gerät immer tiefer in einen Sog aus Drogen und Prostitution. Es dauert nicht lange, bis sie in ihren jungen Jahren auch mit dem Tod konfrontiert wird…
Schon als Buch war "Christiane F. – Wir Kinder vom Bahnhof Zoo", basierend auf Tonbandprotokollen der 15-jährigen Christiane im Gespräch mit den Stern-Reportern Kai Hermann und Horst Rieck, ein riesiger Erfolg. Über Monate hinweg stand das Buch auf Platz 1 der Bestsellerliste. 1981 folgte dann die Verfilmung, die fast 5 Millionen Besucher in die deutschen Kinos lockte. Auch 40 Jahre später hat die Geschichte nichts von ihrer Aktualität und ihrer Wucht verloren. So kam im vergangenen Jahr eine neue Adaption in Form einer Mini-Serie zum Streamingdienst Prime Video von Amazon. Diese Neuinterpretation hatte zwar durchaus einige Stärken, kann aber mit der erschreckenden Authentizität von Uli Edels Film nicht mithalten.
Denn was Edel 1981 auf die Leinwand gebracht hat, war ungeschönt, dreckig und deprimierend – und genau deshalb auch so mitreißend und faszinierend. Es war ein harter Bruch mit dem von sogenannten "Aufklärungsfilmen" dominierten deutschen Unterhaltungskino der 70er Jahre, in dem Schulmädchen nicht als Junkies, sondern als liebestolle Nackedeis über die Leinwände gehüpft sind. Edel dagegen porträtierte eine desillusionierte Generation, die sich von den Lebensentwürfen ihrer Eltern vollständig abwendet und ihre Hoffnungslosigkeit mit Alkohol und Drogen zu betäuben versucht.
Fast schon dokumentarisch muten hier einige Momente an, was die Intensität des Dramas noch steigert. Als der Film 1981 in die Kinos kam, war ich noch ein kleiner Junge, habe aber durch meine älteren Geschwister viel über den Film und seine Hintergründe mitbekommen. Ich weiß noch, welche Gefühle die wenigen Bilder, die ich damals in Zeitschriften oder im Fernsehen gesehen habe, ausgelöst haben. Ich muss sagen, dass diese Wirkung mit all den Jahren, die seitdem vergangen sind, nicht geschmälert wurde. Nur ist es jetzt so, dass mich der Blick auf eine von Drogen zerstörte Jugend nicht mehr als Kind, sondern als Vater eines Mädchens beängstigt und verstört.
Gleichzeitig erkenne ich heute mehr als vor vierzig Jahren, was für ein wichtiger Film "Christiane F. – Wir Kinder vom Bahnhof Zoo" bis heute ist, der nicht umsonst international gefeiert wurde und Uli Edel die Türen in Hollywood geöffnet hat, wo er unter anderem neben "Letzte Ausfahrt Brooklyn" auch Episoden von Kultserien wie "Twin Peaks", "Geschichten aus der Gruft" oder "OZ- Hölle hinter Gittern" inszeniert hat. Unglaublich schwere Kost und ein Film, der seinem Publikum mit voller Wucht in die Magengrube schlägt, was dann auch sehr lange nachhält – und ein Film, der auch 2022 immer noch sehr aktuell wirkt und richtig gut funktioniert. Daher ganz klar: Absolut sehenswert!
Bild + Ton: Die neu angefertigte 4K Abtastung des Films macht sich durchaus bemerkbar. Zwar lässt sich das Alter des Ausgangsmaterials nicht ganz verleugnen, doch unterm Strich ist die Bildqualität wirklich klasse. Die Aufnahmen sind oft dunkel, trotzdem ist eine hohe Bildschärfe erkennbar. Bei schnelleren Bewegungen der Kamera sind leichte Unschärfen auszumachen. Die Farbgebung wirkt in ihrer Reduzierung sehr authentisch und unterstreicht die Atmosphäre des Films. Der Ton liegt als DTS-HD Master Audio 2.0 und DTS-HD Master Audio 5.1 Mix vor. Die Dialoge sind in beiden Fällen gut verständlich, beim 5.1 Mix wirken Musik und Umgebungsgeräusche kraftvoller, als bei der 2.0 Variante. Insgesamt auch auf technischer Ebene eine gelungene Neuauflage. Gut!
Extras: Für diese Neuauflage wurde eigenes neues Bonusmaterial produziert. Los geht es mit einem ausführlichen Interview mit Natja Brunckhorst. Die damalige Hauptdarstellerin, die heute nicht nur als Schauspielerin, sondern auch als Filmemacherin arbeitet, erzählt sehr offen, wie sie die Rolle bekommen und die Dreharbeiten erlebt hat. (27:03 Min.). Dazu gibt es noch einen Blick auf die originalen Casting-Aufnahmen (5:03 Min.), sowie den Original-Trailer.
Das interessanteste Extra aber ist ein neu aufgenommener Audiokommentar mit Regisseur Uli Edel, moderiert von Marcus Stiglegger und Stefan Jung. Die beiden Moderatoren haben ein Buch geschrieben, in dem auch Edels Film eine zentrale Rolle spielt. Zusammen unterhalten sich die drei Männer ausführlich über die Hintergründe und die Entstehung des Films, wobei Edel einige richtig interessante Details offenbart. Sehr spannend ist etwa die Geschichte, wie David Bowie Teil des Films wurde und wie die Konzertszenen zum Teil während eines Konzerts der Band AC/DC gedreht wurden. Ein wirklich hörenswerter Kommentar für alle, die sich für den Film und für deutsche Kinogeschichte interessieren.
Fazit: "Christiane F. – Wir Kinder vom Bahnhof Zoo" ist auch nach über 40 Jahren schockierend, mitreißend und gerade aus filmischer Sicht absolut faszinierend. Die Neuauflage präsentiert den Film in sehr guter Bild- und Tonqualität und bietet zudem neu produziertes Bonusmaterial, bei dem besonders der sehr interessante Audiokommentar hervorsticht. Keine leichte Kost, aber trotzdem: Absolut empfehlenswert!
Ein Artikel von Sebastian Betzold