Die Frankfurt-Tipp Bewertung: |
Genre: | Drama |
Regie: | Raoul Peck |
Kinostart: | 02.03.2017 |
Produktionsland: | Deutschland/Frankreich/Belgien 2016 |
Laufzeit: | ca. 118 Min |
FSK: | ab 6 Jahren |
Webseite: | www.der-junge-karl-marx.de/ |
Paris im Jahr 1844: Kurz vor der industriellen Revolution trifft der 26jährige Karl Marx (August Diehl) auf Friedrich Engels (Stefan Konarske). Zunächst sieht Marx in dem jungen Mann nur den gutbetuchten Sohn eines Fabrikbesitzers und damit die Verkörperung all dessen, wogegen er ankämpft – was ihn letztendlich mit seiner Frau Jenny (Vicky Krieps) ins französische Exil gebracht hat. Doch bald schon merkt er, dass er und Engels auf einer Wellenlänge schwimmen und das gleiche Ziel verfolgen. Die beiden Männer werden mehr als Freunde, erarbeiten sie doch mit Jennys Hilfe jene Schriften, die eine große Revolution der Arbeiterklasse entzünden sollen. Doch so gut es ihnen gelingt, ihre Gedanken zu Papier zu bringen, so schwer ist es dann doch, sie auch unters Volk zu bringen und die Arbeiterbewegung hinter sich vereinen zu können…
"Der junge Karl Marx" ist eine interessante Geschichtsstunde, die nicht nur den schwierigen Weg zweier Männer, deren Schriften die Gesellschaft nachhaltig beeinflusst haben, nachzeichnet, sondern auch offenbart, wie aktuell ihre Thesen auch nach über 150 Jahren noch sind. Es ist aber gleichzeitig auch ein Film, der die wichtige Rolle der oft im Schatten der beiden Männer verschwindenden Jenny Marx herausstellt, was dem ganzen noch eine zusätzliche Bedeutungsebene verleiht. Regisseur Raoul Peck hat versucht, das Ganze so authentisch wie möglich zu inszenieren und gleichzeitig einen zeitgemäßen Erzählstil anzuwenden, um das Ganze nicht zu trocken wirken zu lassen. Das ist ihm weitgehend gut gelungen, auch wenn der Film sich von einigen Längen und sperrig-verkopften Momenten nicht ganz lossagen kann.
Visuell ansprechend umgesetzt und gerade von den drei Hauptdarstellern überzeugend gespielt, versucht "Der junge Karl Marx" möglichst wertfrei zu sein. Der Film soll kein Heldenepos sein, sondern soll es den Zuschauern weitgehend überlassen, sich gerade über die deutlichen Verbindungen zur Gegenwart – nicht umsonst zierte das Konterfei von Marx während der Finanzkrise weltweit etliche Titelbilder zahlreicher Magazine – eine eigene Meinung zu bilden. Dennoch ist die Charakterzeichnung schon recht eindeutig ausgelegt. Die Gegner von Marx und Engels sind sehr verbissene, unsympathische Figuren, bei denen man sich regelrecht freut, wenn sie mit ihren Versuchen, die beiden Männer mundtot zu machen, kläglich scheitern.
Dadurch, dass sich Peck auf einen relativ kurzen Abschnitt im Leben von Karl Marx konzentriert, kann er ein recht umfassenden Einblick in diese Ereignisse werfen – etwas, was vielen Biopics, die das gesamte Leben einer bekannten Persönlichkeit beleuchten, nicht gelingt. Das macht die Geschichte relativ packend, auch wenn es die bereits erwähnten Längen und sperrigen Momente gibt. Wer sich für die Arbeiterbewegung des 19. Jahrhunderts und für die Anfänge von Karl Marx interessiert, der bekommt hier ein handwerklich sehr gut inszeniertes und überzeugend gespieltes Historiendrama geboten, das trotz einiger Schwächen klar noch ein "Sehenswert" verdient hat.
Ein Artikel von Sebastian Betzold