Die Frankfurt-Tipp Bewertung: |
Originaltitel: | Reaching for the Moon |
Genre: | Drama |
Regie: | Bruno Barreto |
Kinostart: | 10.04.2014 |
Produktionsland: | Brasilien 2013 |
Laufzeit: | ca. 120 Min. |
FSK: | ab 6 Jahren |
Webseite: | www.diepoetin-film.de |
Die Dichterin Elizabeth Bishop (Miranda Otto) leidet unter einer schweren Schreibblockade. Eine Reise nach Rio de Janeiro zu ihrer Studienfreundin Mary (Tracy Middendorf) soll ihre kreative Ader wieder zum sprudeln bringen. Doch zunächst scheint dieser Plan nicht aufzugehen. Besonders die deutliche Ablehnung, die ihr Marys Lebensgefährtin, die Architektin Lota de Macedo Soares (Gloria Pires) entgegenbringt, schüchtert die New Yorkerin ebenso ein, wie die für sie völlig fremde brasilianische Mentalität. Doch je länger sie an dem idyllischen Ort verweilt, desto mehr kann sie sich seiner enormen Sinnlichkeit ergeben. Als sich Lotas Ablehnung in enorme Zuneigung verwandelt und aus den beiden Frauen ein Liebespaar wird, kann Elizabeth auch endlich wieder schreiben. Als ihre Arbeit mit Preisen überhäuft wird und Lota mit der Gestaltung des Flamengo Parks den wohl wichtigsten Auftrag ihrer Karriere erhält, sieht alles nach einer beruflich wie privat glücklichen Zukunft für die beiden Frauen aus. Doch dann zeigt sich das Schicksal von seiner besonders zerstörerischen Seite…
"Die Poetin" basiert auf dem Leben der gefeierten Dichterin Elizabeth Bishop und ihrer großen Liebe zu Lota de Macedo Soares. Regisseur Bruno Barreto wollte allerdings nicht nur die Liebesgeschichte zwischen zwei ungleichen Frauen erzählen. Vielmehr ging es ihm darum, hier etwas Universelles zu finden, das eben nicht nur ein Nischenpublikum anspricht, sondern jedem potentiellen Zuschauer eine Identifikationsfläche bietet. Und das fand er in Bishops Gedicht "One Art", das mit der Zeile beginnt: "The art of losing isn`t hard to master". So ist "Die Poetin" also kein typisches Biopic geworden, kein einfaches Porträt der großartigen Dichterin, sondern ein bewegender Film über Verluste und den Umgang mit ihnen.
Die Geschichte beginnt dann auch gleich mit einem Verlust: Elizabeth Bishops Verlust ihrer Fähigkeit zu Schreiben. Hier zeigt sich, dass jeder Verlust auch der Anfang von etwas Neuem sein kann. Doch dem ewigen Kreislauf des Lebens geschuldet ist auch dies nicht von ewiger Dauer. Die Elizabeth Bishop, die der Zuschauer zu Beginn des Films kennenlernt, ist eine verunsicherte und eher schwache Frau, die in dem neuen Leben, das sie an der Seite von Lota findet, stärker und stärker wird. Und obwohl sie dem Alkohol verfällt, wird sie dadurch nicht wieder geschwächt. Im Gegenteil: sie erklimmt kreativ neue Höhen und wird für ihre Arbeit mehr gefeiert, denn je. Exponentiell dazu nimmt Lotas anfängliche Stärke zunehmend ab. Obwohl auch sie an Elizabeths Seite ihren größten beruflichen Triumph feiert, bleibt am Ende von der starken, selbstbewussten Frau, die sie zu Beginn des Films noch ist, nur noch wenig übrig – und das als Folge eines für sie zerstörerischen Verlusts.
Der Film hätte angesichts des eher tragischen Verlaufs der Geschichte leicht zu einem deprimierenden Trauerspiel verkommen können. Doch Barreto weiß dies gekonnt zu verhindern, indem er seine Inszenierung ganz im Sinne von Elizabeth Bishop mit viel poetischen Momenten anreichert. In erster Linie sind es wundervolle Bilder, aber auch kleine Momentaufnahmen, die diesen Effekt erzielen. Damit zeigt "Die Poetin" einerseits, wie nah Freud und Leid oft beieinander liegen können. Zum anderen aber strahlt der Film durch seine Bildsprache und die Momente stiller Schönheit auch eine positive Grundstimmung aus, die am Ende über die große Traurigkeit der Geschichte triumphiert.
Sicherlich ist "Die Poetin" kein Film für das breite Mainstreampublikum. Dennoch ist Barrettos Anliegen, den Stoff derart zu inszenieren, dass er eben nicht nur ein kleines Nischenpublikum anspricht, auf jeden Fall gelungen. Die sehr guten Hauptdarstellerinnen, eine auf mehreren Ebenen funktionierende Geschichte und nicht zuletzt die mitreißende Kameraarbeit machen aus "Die Poetin" ein Werk, dass nicht nur Liebhabern starker Frauengeschichten, sondern Freunden des stilleren Arthauskinos allgemein ans Herz gelegt werden kann. Sehenswert!
Ein Artikel von Sebastian Betzold