Die Frankfurt-Tipp Bewertung: |
Genre: | Drama, Tragikomödie |
Regie: | Stina Werenfels |
Kinostart: | 21.05.2015 |
Produktionsland: | Schweiz/Deutschland 2014 |
Laufzeit: | ca. 92 Min. |
FSK: | ab 16 Jahren |
Webseite: | www.facebook.com/DoraOderDieSexuelle |
Lange Zeit haben Kristin (Jenny Schily) und Felix (Urs Jucker) ihre geistig beeinträchtigte Tochter Dora (Victoria Schulz) mit Medikamenten ruhig gestellt. Jetzt wurde die Behandlung abgesetzt und das 18jährige Mädchen findet nicht nur ins Leben zurück, sondern entdeckt dabei auch seine eigene Sexualität. Es dauert nicht lange, bis sie sich von dem charismatischen Peter (Lars Eidinger) in jeder Hinsicht angezogen fühlt und sich auf spontanen Sex mit ihm einlässt. Als seine Eltern das erfahren, sind sie schockiert. Sie sind sich nicht sicher, ob Dora schon so weit ist, diese Verantwortung über ihren eigenen Körper übernehmen zu können. Das arrogante Auftreten von Peter ist nicht gerade hilfreich, den Beiden ihre Sorgen zu nehmen. Doch obwohl sie es zu verhindern versuchen, trifft sich Dora weiterhin mit ihrem Liebhaber. Und dann passiert das, wovor gerade Kristin große Angst hatte: ihre Tochter wird schwanger…
Mit "Dora oder die sexuellen Neurosen unserer Eltern", der Verfilmung des erfolgreichen Theaterstücks von Lukas Bärfuss, wagt sich Filmemacherin Stina Werenfels an eine sehr schwierige Thematik. Ihr Film stellt unbequeme Fragen und zwingt den Zuschauer, sich damit auseinanderzusetzen, auch wenn man in einigen Momenten eigentlich lieber wegsehen möchte. Dabei werden einige Momente, wie der erste Sex zwischen Dora und Peter, genauso ambivalent gehalten, wie die Figuren selbst. Das gilt ganz besonders für Peter, der zunächst ein gefühlloses Schwein zu sein scheint, der Dora nur ausnutzt. Doch je länger man als Zuschauer gezwungen ist, sich mit dieser Figur auseinanderzusetzen, desto mehr erkennt man doch auch Züge an ihm, die vermuten lassen, dass er es doch ernst meint und echte Gefühle für die junge Frau hat.
Die Tatsache, dass hier nicht alles ganz eindeutig auf dem Tablett serviert wird und der Zuschauer zur eigenen Reflexion angeregt wird, macht den Film äußert interessant. Dieser positive Eindruck wird durch das hervorragende Spiel von Victoria Schulz und einem nicht weniger großartigen Lars Eidinger unterstützt. Auch die Tatsache, dass Stina Werenfels immer wieder angenehm bissiger Humor einsetzt und dadurch immer wieder bewusst auf eine politisch korrekte Inszenierung verzichtet, muss dem Film auf jeden Fall zugutegehalten werden.
Trotzdem ist es gerade die Unangepasstheit, die das Werk zu sehr schwieriger und mitunter etwas sperriger Kost macht. Nur schwer findet man als Zuschauer Zugang zu den Figuren und kann ihr Handeln oft nicht so recht nachvollziehen. Zu Beginn funktioniert der Film dennoch recht gut, was vom Ende nicht wirklich behauptet werden kann. In dem Bemühen, die Botschaft um sexuelle Freiheit, Selbstbestimmung und den Mutter-Tochter-Konflikt zu einem stimmigen Abschluss zu bringen, verliert sich die Inszenierung in unnötig wirren Sequenzen, die den positiven Gesamteindruck nachhaltig stören.
"Dora oder die sexuellen Neurosen unserer Eltern" ist ein unbequemer, ungewöhnlicher und unkonventioneller Film, der trotz vieler positiver Aspekte aber seinen Zuschauern zu wenig Bezugsfläche bietet. Und da man sich beim letzten Akt eigentlich nur noch fragt, was das Ganze soll oder ob diese Szenen für die Geschichte wirklich notwendig sind, fällt es schwer, ein rundum positives Fazit zu ziehen. Doch ganz klar ist: wer herausfordernde Arthausfilme aus Deutschland schätzt, der sollte alleine aufgrund der guten Darsteller hier einen Blick riskieren. Und für dieses Publikum gilt dann auch: Mit kleinen Abstrichen sehenswert!
Ein Artikel von Sebastian Betzold