Die Frankfurt-Tipp Bewertung: |
Genre: | Komödie, Drama, Tragikomödie |
Regie: | Lars Montag |
Kinostart: | 04.05.2017 |
Produktionsland: | Deutschland 2017 |
Laufzeit: | ca. 119 Min |
FSK: | ab 16 Jahren |
Webseite: | www.facebook.com/einsamkeitundsexund |
Ein Lehrer (Bernhard Schütz), der nach Anschuldigungen eines Mädchens seinen Job verloren hat. Ein einsamer Familienvater (Rainer Bock), der so gerne einen Freund hätte. Eine Künstlerin (Katja Bürkle), die ihrer Einsamkeit mit Hilfe eines Datingportals begegnen möchte. Eine Ärztin (Eva Löbau), die sich nimmt, was sie will – besonders von dem Typen vom Escort-Service. Ein streng gläubig erzogener Junge (Aaron Hilmer), der daran verzweifelt, dass er ein Mädchen mehr zu lieben scheint, als Jesus. Oder ein Polizist (Jan Henrik Stahlberg), der sich als echten Kerl versteht und der sich überall in seinem Alltag in seinen Vorurteilen gegenüber Migranten bestätigt sieht. Sie alle gehören zu den Menschen, die in einem wilden Geflecht aus Beziehungen und Abhängigkeiten miteinander verbunden sind. Ob in ihrer Einsamkeit, beim Sex oder durch Mitleid…
"Einsamkeit und Sex und Mitleid" ist ein wirklich besonderer Film. Besonders deshalb, weil er es schafft, sehr wichtige Themen auf ungewöhnliche Art anzusprechen. Und auch deshalb, da es ihm gelingt, beim Zuschauer völlig unterschiedliche Gefühlszustände hervorzurufen. Der großartig geschriebene, mit bösem Zynismus durchzogene Wortwitz sorgt immer wieder für richtig gute Lacher, die einem nur kurze Zeit später wieder im Halse stecken bleiben. Selten hat man sich so gut amüsiert und gleichzeitig derart deprimiert gefühlt. Regisseur und Ko-Autor Lars Montag hat es gemeinsam mit Helmut Krausser, dem Autor der Romanvorlage, geschafft, die Essenz des sehr komplexen Buches herauszufiltern und das geschickt verwobene Geflecht aus den mal mehr und mal weniger offensichtlichen Beziehungen der Figuren zueinander auf die Leinwand zu übertragen.
Das ist ihnen nicht nur durch das gemeinsam verfasste Drehbuch sehr gut gelungen. Auch das sehr gut ausgewählte Darstellerensemble, sowie die Mischung aus faszinierender Bildsprache und Musik sorgen dafür, dass der Film dem Zuschauer unter die Haut geht und bleibenden Eindruck hinterlässt. Auf vielen Ebenen ist das Ganze ein hervorragend beobachtetes Abbild unserer Gesellschaft, das zwar ein wenig überstilisiert und überspitzt zu sein scheint. Aber bei genauerer Betrachtung liegen gerade in den überspitzten Momenten die nicht immer bequemen Wahrheiten, die fast schon auf spielerische, dabei aber auch äußerst intensive Art entlarvt werden.
Der Film ist sicherlich nicht einfach und es wird garantiert nicht jedem Zuschauer gelingen, sich darauf einlassen zu können. Wer aber Zugang zu dem sehr speziellen Ton findet, der hier angeschlagen wird, der bekommt ein echtes Highlight des deutschen Kinos geboten. Herrlich hintergründige, dabei oft unglaublich witzige Dialoge, tiefschwarzer und politisch unkorrekter Humor, gepaart mit einer schmerzhaft lebensnahen Tristesse – das sind die Zutaten, die dieses Ensemblestück so deutlich aus der Masse hervorhebt. Ein gleichzeitig federleichter und bleischwerer Film, der aufgrund seiner handwerklichen Finesse alleine ein klares Fazit verdient hat: Absolut sehenswert!
Ein Artikel von Sebastian Betzold