Die Frankfurt-Tipp Bewertung: |
Originaltitel: | You`re ugly too |
Genre: | Drama, Tragikomödie |
Regie: | Mark Noonan |
Kinostart: | 19.11.2015 |
Produktionsland: | Irland 2015 |
Laufzeit: | ca. 81 Min. |
FSK: | ab 6 Jahren |
Webseite: | www.familienbande.pandorafilm.de |
Nach dem Tod seiner Schwester wird der inhaftierte Will (Aiden Gillen) vorzeitig aus dem Gefängnis entlassen, um sich um seine elfjährige Nichte Stacey (Lauren Kinsella) zu kümmern. Sollte er sich als geeigneter Vormund erweisen, wird ihm der Rest seiner Haftstrafe erlassen. Für Will ist es die perfekte Möglichkeit, um seine dunkle Vergangenheit hinter sich zu lassen. Doch leider ist Stacey gar nicht erfreut darüber, bei ihrem Onkel zu leben – und dann auch noch in einer Wohnwagensiedlung. Als sich dann auch noch herausstellt, dass das Mädchen unter Narkolepsie leidet und deshalb nicht in der Schule angenommen wird, nehmen die Spannungen zwischen den Beiden zu. Nur langsam gelingt es Will, sich seiner Nichte anzunähern. Doch es ist klar, dass sie nur dann eine Familie werden können, wenn sie sich Beide ihrer Vergangenheit stellen…
Mit seinem Regiedebüt "Familienbande" schafft Filmemacher Mark Noonan das kleine Kunststück, eine an sich konventionelle Geschichte in eine ganz besondere Atmosphäre zu tauchen und das nicht gerade fröhliche Thema leicht und mit subtilem Humor erfüllt zu verpacken. Der in den irischen Midlands gedrehte Film erhält durch die dortige Landschaft einen rauen, aber gleichzeitig extrem einnehmenden Charme. Obwohl gerade die Wohnwagensiedlung nicht gerade Lust darauf macht, dort leben oder Urlaub machen zu wollen, wirken die Bilder niemals trist oder deprimierend. Vielmehr strahlen sie eine unverfälschte Schönheit aus, in der sich der hoffnungsvolle Unterton der Geschichte sehr schön entfalten kann.
Getragen wird der Film zweifelsohne von seinen beiden Hauptdarstellern. Aiden Gillen, der einem Millionenpublikum als Petyr Baelish alias "Kleinfinger" bekannt ist, zeigt hier eine ganz andere Seite seines schauspielerischen Könnens. Er verkörpert Will als verschlossenen Mann, der von der Hoffnung getrieben wird, eine schwere Last aus seiner Vergangenheit loswerden zu können, indem er seiner Nichte ein guter Ersatz-Vater ist – eine Aufgabe, die ihn aber dann doch überfordert. Denn so sehr er sich einen Neuanfang wünscht, so wenig möchte er sich und Stacey mit der Schuld, die er auf sich geladen hat, konfrontieren. So entsteht ein sehr nuancenreicher Charakter, den Gillen glaubhaft und sympathisch zum Leben erweckt.
An seiner Seite agiert die dreizehnjährige Lauren Kinsella mit erstaunlicher Souveränität. Es ist schon ein kleines Wunder, dass sie es schafft, Stacey nicht altklug oder überzogen frech wirken zu lassen. Stattdessen kommt sie als schlagfertiges, aber auch sehr verunsichertes, trauriges Mädchen rüber, das sich eigentlich nur nach einer glücklichen Familie sehnt. Wie sie sich langsam ihrem Onkel gegenüber öffnet und Ereignisse in den Weg leitet, die ihn und ihre Wohnwagen-Nachbarin Emilie (Erika Sainte) zusammenbringen soll, spielt das kleine Mädchen wirklich ganz groß.
"Familienbande" ist ein kleiner Film, der nicht verkrampft auf große Gefühle oder laute Lacher aus ist und nicht zu verbissen auf ein Happy End zusteuert. Gerade dadurch ist es ein sehr bezauberndes Werk, das authentisch wirkt und trotz einer gewissen Traurigkeit glücklich macht. Ein sehr schöner Film, den sich nicht nur Arthaus-Liebhaber nicht entgehen lassen sollten. Sehenswert!
Ein Artikel von Sebastian Betzold