Die Frankfurt-Tipp Bewertung: |
Originaltitel: | Gemma Bovery |
Genre: | Komödie, Drama |
Regie: | Anne Fontaine |
Kinostart: | 18.09.2014 |
Produktionsland: | Frankreich 2014 |
Laufzeit: | ca. 99 Min. |
FSK: | ab 0 Jahren |
Webseite: | www.gemma-bovery.de |
Nachdem sein Traum von einer großen Karriere als Verleger in Paris gescheitert ist, kehrte Martin (Fabrice Luchini) in sein kleines Heimatdorf in der Normandie zurück, um hier die Bäckerei seines Vaters zu übernehmen. Obwohl er in einer wahren Idylle lebt, ist der Literaturliebhaber von dem gemächlichen Dorfalltag schnell gelangweilt und frustriert. Das ändert sich erst, als ein englisches Ehepaar ins Nachbarhaus zieht. Denn nicht nur, dass ihn schon die Namen von Gemma (Gemma Arterton) und Charles Bovery (Jason Flemyng) an seinen Lieblingsschriftsteller Gustave Flaubert erinnern. Gerade Gemma scheint geradewegs aus Flauberts "Madame Bovery" entsprungen. Die junge Frau übt auf Martin eine derartige Faszination aus, dass er sich immer mehr in die Parallelen zwischen ihr und Flauberts Romanfigur hineinsteigert und ihr Leben soweit beeinflussen möchte, dass es dem Literaturklassiker würdig sei. Dass Gemma ganz andere Träume und Sehnsüchte hat, übersieht er dabei vollkommen, was fatale Folgen hat – nicht nur für die Ehe der Boverys…
Nachdem sie schon in "Immer Drama um Tamara" das Objekt der Begierde in einer Adaption einer Graphic Novel von Posy Simmonds verkörpern durfte, hat die bezaubernde Gemma Arterton diesen Part auch in Anne Fontaines Filmversion von Simmonds` "Gemma Bovery" übernommen. Und die Rolle der etwas naiven Verführerin spielt Arterton perfekt. Ihr zur Seite steht ein wunderbarer Fabrice Luchini als Martin, der seine unerfüllte Leidenschaft auf Gemma projiziert und sie so in eine Rolle drängt, der sie nur in seiner Fantasie gerecht werden kann. Der Film bezieht viel von seinem Reiz durch die Diskrepanz zwischen Flauberts "Madame Bovery" und Gemma, die mit ihrem literarischen Pendant so gar nichts anfangen kann.
Natürlich nutzt es, wenn Flauberts Roman bekannt ist. Doch das Drehbuch von Pascal Bonitzer und Anne Fontaine schafft es sehr gut, die diversen Anspielungen und Parallelen auch für solche Zuschauer verständlich zu machen, die den Klassiker nicht gelesen haben. Auch wenn die fehlende Kenntnis wahrscheinlich die eigentliche Genialität der cleveren Vorlage nur ansatzweise erkennen lässt, verleiht der von beißender Ironie durchzogene Humor der turbulenten Geschichte einen derart hohen Unterhaltungswert, dass das Ganze auch völlig losgelöst von "Madame Bovery" hervorragend funktioniert. Wenn Martin versucht, aus dem Hintergrund heraus das Leben von Gemma zu manipulieren und sich so zu einer Art modernen Flaubert zu machen, dann offenbart das nicht nur seine tief sitzende Enttäuschung über sein eigenes Leben, sondern auch Gemmas enorme Lebenslust, der ihr Mann Charles nur bedingt entsprechen kann. Die Komplikationen, die daraus entstehen, sind zunächst äußerst amüsant und aufregend, nehmen dann aber immer düsterere Züge an.
Welche das sind, soll natürlich nicht verraten werden. Doch es sei verraten, dass es Fontaine sehr gut gelingt, den sich wandelnden Ton der Geschichte stimmig umzusetzen, ohne dass die Zuschauer am Ende das Kino frustriert verlassen müssen. Denn auch in den dramatischeren Momenten hält sie die ironische Grundatmosphäre aufrecht, was auch dank der sehr guten Darsteller ganz wunderbar funktioniert. Und selbst wenn die Ereignisse im letzten Drittel ein wenig deprimierend wirken, so sorgt spätestens die wunderbare Abschlussszene dafür, dass sich ein breites Grinsen auf den Gesichtern der Zuschauer bildet.
"Gemma Bovery" mag der letzte Kick fehlen, um aus einem sehr guten einen großartigen Film werden zu lassen. Dafür gibt es im Mittelteil doch einige zu offensichtliche Längen und kleine dramaturgische Hänger. Doch insgesamt ist Anne Fontaine eine wunderbar bissige Komödie über Literatur, Liebe, Leidenschaft und Obsession gelungen, die mit schönen Bildern, hintergründigem Humor und guten Schauspielern überzeugen kann. Und dafür gibt es ein ganz klares: Sehenswert!
Ein Artikel von Sebastian Betzold