Die Frankfurt-Tipp Bewertung: |
Genre: | Komödie |
Regie: | Dietrich Brüggemann |
Kinostart: | 16.07.2015 |
Produktionsland: | Deutschland 2015 |
Laufzeit: | ca. 103 Min. |
FSK: | ab 12 Jahren |
Webseite: | www.facebook.com/HeilDerFilm |
Die hochschwangere Nina (Liv Lisa Fries) ist wenig begeistert davon, dass ihr Freund, der gefeierte afrodeutsche Autor Sebastian Klein (Jerry Hoffmann) seinen Bestseller über alltäglichen Rassismus ausgerechnet in der ostdeutschen Provinz vorstellen soll. Und die Sorge ist gerechtfertigt: denn am Bahnhof des kleinen Städtchens Prittwitz wird Sebastian nicht etwa von begeisterten Fans, sondern von einer Gruppe Neonazis empfangen, die ihn in den Keller ihres Ortsgruppenführers Sven (Benno Führmann) verfrachten. Dumm nur, dass der Autor durch den Schlag, den ihm sein Willkommens-Komitee verpasst hat, sein Gedächtnis verloren hat und nun alles munter nachplappert, was man ihm vorsagt. Für Sven der perfekte Weg, um sein braunes Gedankengut über die Medien ans Volk zu bringen. Während sich Nina mit Hilfe des frustrierten Dorfpolizisten Sascha auf die Suche nach ihrem Sebastian macht, lässt Sven ihn in Talkshows gegen Integration wettern. Zu dumm nur, dass sich Svens Angebetete, die knallharte Nazi-Braut Doreen (Anna Brüggemann), davon wenig beeindruckt zeigt. Wer sie für sich gewinnen will, der muss schon deutlichere Taten sprechen lassen. Und so holt Sven mit Hilfe seiner Schergen Johnny (Jacob Matschenz) und Kalle (Daniel Zillmann) zum ganz großen Schlag aus – und Sebastian ist immer mittendrin…
Darf man über Neonazis lachen? Wie weit darf man den Verfassungsschutz der Lächerlichkeit preisgeben? Und wie politisch unkorrekt darf eine Satire sein? Mit "Heil" versucht Filmemacher Dietrich Brüggemann Antworten auf diese und andere Fragen zu geben. Vordergründig gesehen ist der neueste Film des vielseitigen Regisseurs ("Kreuzweg", "Renn, wenn du kannst") eine Komödie, in der Rechtsradikale als Volldeppen dargestellt werden. Würde sich der Film einzig darauf beschränken, hätte man Brüggemann vorwerfen können, dass er es sich zu leicht gemacht hat. Dann hätte "Heil" auch nicht funktioniert. Doch Brüggemann beschränkt sich zum Glück nicht auf das allzu offensichtliche, einseitige Nazi-Bashing. Stattdessen holt er zu einem satirischen Rundumschlag aus, bei dem wirklich jeder – er inklusive – sein Fett abbekommt.
Dabei bedient er sich sehr unterschiedlicher Formen des Humors. Da gibt es puren Slapstick, erstklassigen Klamauk und aus überzogenen Klischees gewonnene Satire. Irgendwo zwischen Mel Brooks, Monty Python, Loriot und Billy Wilder sind Einflüsse aus den unterschiedlichsten Lagern des cineastischen Humors zu erkennen. Das funktioniert zwar nicht immer, aber meistens. Und besonders dann, wenn sich Brüggemann traut, so richtig schön böse zu sein, bleibt bei dieser Farce nun wirklich kein Auge trocken. Wenn sich der Verfassungsschutz beim Übermitteln einer Web-Adresse überfordert zeigt, sich die Antifas gegenseitig an die Gurgel gehen, weil sie jede Äußerung, die auch nur ein klein wenig von ihren Idealen abweicht als Rechts empfinden, wenn die Problematik in Polit-Talkshows zur Selbstbeweihräucherung aufgeblasener Egos genutzt wird oder sich die Bundesländer aus dem Dreiländereck Thüringen, Brandenburg und Sachsen mit ihren unterschiedlichen V-Männern selbst ein Bein stellen, dann wird sehr gut deutlich, dass "Heil" alles andere als eine platte Komödie ist.
Die bissigen Dialoge wurden mitunter von dem Tonfall inspiriert, den viele User in Internet-Foren an den Tag legen. Damit entlarvt Brüggemann auch eine gerade bei Themen wie Neonazis oder NSU vorherrschende Rechthaberei, die keinen Raum für konstruktive Diskussionen lässt. Gerade bei so wichtigen Themen wird meist nicht miteinander-, sondern nur gegeneinander geredet – selbst dann, wenn man eigentlich das gleiche Ziel verfolgt. Auch hier sind es wieder die Polit-Talks im Film, aber auch Szenen auf einer Demo gegen Nazis, die das hervorragend untermauern.
Die Darsteller, allen voran Benno Fürmann und Jacob Matschenz, legen eine enorme Spielfreude, aber auch erstklassiges komödiantisches Timing an den Tag. So sorgen sie dafür, dass der Film auch in den etwas alberneren Szenen sehr gut funktioniert. Sicherlich, der Humor der Komödie ist bestimmt nicht jedermanns Sache. Und einige Personen – und damit sind wahrlich nicht nur Menschen mit rechter Gesinnung gemeint – werden sich vielleicht etwas zu sehr auf den Schlips getreten fühlen, um noch vielleicht ein wenig selbstreflektiv über das turbulente Geschehen lachen zu können. Wer sich aber auf den ganz speziellen Humor dieser bissigen Satire einlassen kann, wer bereit ist, auch bei Komödien die kleinen grauen Zellen aktiviert zu lassen und es gerne auch mal politisch unkorrekt mag, der sollte sich diesen Film nicht entgehen lassen. Absolut sehenswert!
Ein Artikel von Sebastian Betzold