Die Frankfurt-Tipp Bewertung: |
Originaltitel: | Love |
Genre: | Drama |
Regie: | Gaspar Noé |
Kinostart: | 26.11.2015 |
Produktionsland: | Frankreich/Belgien 2015 |
Laufzeit: | ca. 149 Min. |
FSK: | ab 18 Jahren |
Webseite: | www.alamodefilm.de |
Der Amerikaner Murphy (Karl Glusman) und die Französin Electra (Aomi Muyock) waren ein echtes Traumpaar. Ihre Liebe war stürmisch, ungezügelt, leidenschaftlich. Es gab keine Tabus, keine Grenzen – bis ein Dreier mit ihrer jungen Nachbarin Omi (Klara Kristin) alles geändert hat. Denn nach dieser Nacht ging Murphy auch alleine mit Omi ins Bett, die daraufhin schwanger wurde. Nun sind zwei Jahre vergangenen und Murphy lebt unglücklich mit Omi und ihrem gemeinsamen Kind zusammen. Von Electra hat er schon lange nichts mehr gehört. Doch als er an Neujahr erfährt, dass sie sich etwas angetan haben könnte, macht er sich auf die verzweifelte Suche nach ihr. Die Suche wird für ihn zu einer Reise in ihre gemeinsame Vergangenheit und zwingt ihn, sich mit all den dunklen Schatten, die das Ende ihrer Liebe umgeben, zu konfrontieren…
Wann immer Gaspar Noé einen Film dreht, darf man mit Provokation, dem Austesten von Grenzen und Skandalen rechnen. Gerade bei der Darstellung von Sex und Gewalt ist Noé in der Vergangenheit nicht gerade zimperlich zur Sache gegangen. Kein Wunder also, dass Werke wie "Irreversible", "Menschenfeind" oder "Enter the Void" intensive, aber auch verstörende Filmerfahrungen sind, die bei ihrer Veröffentlichung stets für rege Diskussionen gesorgt haben. Das wird auch bei "Love" nicht anders sein, auch wenn Noé behauptet, dass dies sein bislang romantischster Film sei. Gleich in den ersten Minuten des in 3D gedrehten Dramas macht der Regisseur klar, dass er keinen weichgespülten Blümchensex a la Hollywood zeigt, sondern dass es hier äußerst explizit zur Sache geht.
Dabei verschwimmt die Grenze zwischen kunstvoller Erotik und Pornografie so sehr, dass der Film erst nach einer Berufung das FSK-Siegel "ab 18 Jahren" erhalten hat. Zugegeben, einige der Sexszenen sind in ihrer Realitätsnähe sehr leidenschaftlich inszeniert und befreien sich so von dem Vorwurf, pornografisch zu sein. Doch spätestens wenn Noé den Penis seiner Hauptfigur in Großaufnahme zeigt und sich Murphys 3-D Orgasmus quasi in die Gesichter des Publikums ergießt, dann ist das keine Kunst, sondern pure Provokation. Dadurch wird auch die Intensität zurückhaltender inszenierter Szenen geschwächt, was dem Film insgesamt nicht gerade gut tut. Denn so offenbart sich sehr viel deutlicher, dass die Story, die sich hinter dem ständigen Kopulieren versteckt, erstaunlich dünn und konventionell ist.
Sicherlich, Noé bleibt auch hier ein unangepasster und interessanter Filmemacher, der die Grenzen des Machbaren auslotet und gerade auf visueller Ebene stets zu faszinieren weiß. Dennoch gelingt es "Love" trotz seiner expliziten Darstellung von Sex nicht, einen nachhaltigen Eindruck zu hinterlassen. Zwar zeigt der Film sehr gut, wie leidenschaftliche Liebe aussieht und welch zerstörerische Kraft diese haben kann. Doch um diese Wirkung zu erreichen, hätte es nicht zweieinhalb Stunden gebraucht. Das hätte Noé auch effektiv in 90 Minuten geschafft. So gibt es sehr viele zähe Momente und auf Dauer ermüdende Szenen, die am Ende nicht mehr mitreißend und leidenschaftlich, sondern nur noch langweilig wirken. Und daher gilt: Nur für unerschrockene Noé-Fans, die sich an sehr offener Darstellung sexueller Handlungen nicht stören, sehenswert!
Ein Artikel von Sebastian Betzold