Die Frankfurt-Tipp Bewertung: |
Originaltitel: | Je suis a vous tout suite |
Genre: | Komödie, Drama, Romantik |
Regie: | Baya Kasmi |
Kinostart: | 14.01.2016 |
Produktionsland: | Frankreich 2015 |
Laufzeit: | ca. 99 Min. |
FSK: | ab 12 Jahren |
Webseite: | www.mademoisellehanna.x-verleih.de/ |
Die dreißigjährige Hanna (Vimala Pons) und ihr Bruder Hakim (Mehdi Djaadi) könnten unterschiedlicher nicht sein: während sie, unabhängig von ihren kulturellen und religiösen Wurzeln als Halb-Algerierin ein sehr freiheitsliebendes, offenherziges Leben in Paris führt, hat sich Hakim für einen sehr traditionellen Weg als gläubiger Muslim entschieden. Doch eines haben die Geschwister gemein: sie haben von ihren Eltern die Unfähigkeit geerbt, einfach mal "Nein" sagen zu können. Das ist für Hanna besonders schwierig, muss sie als Leiterin der Personalabteilung doch ab und an Mitarbeiter entlassen. Doch Hanna findet immer wieder einen Weg, um den Gekündigten auch noch diesen schweren Schritt zu versüßen. Dann aber lernt sie den Arzt Paul (Laurent Capelluto) kennen und mit ihm einen Mann, der sie so zu lieben scheint, wie sie ist. Doch dann braucht Hakim ihre Hilfe – und das verstärkt nicht nur ihren Konflikt untereinander, sondern reißt auch eine alte Wunde auf, die beide Geschwister nur allzu gerne für immer verschlossen halten würden…
Nach ihrer ersten Zusammenarbeit bei dem wunderbaren "Der Name der Leute" haben Baya Kasmi und Michel Leclerc dieses Mal die Rollen getauscht. Durfte er bei "Der Name der Leute" Regie führen, während sie nur am Drehbuch beteiligt war, nahm Kasmi bei "Mademoiselle Hanna und die Kunst, Nein zu sagen" auf dem Regiestuhl Platz. Auch wenn es zwischen beiden Filmen eine gewisse thematische Überschneidung gibt, so haben sie doch durch den Regiewechsel jeder für sich eine ganz eigene Handschrift. Gemein ist ihnen allerdings, dass sie sehr ernste Themen mit viel Humor und Ironie angehen.
Als Tochter eines algerischen Moslems und einer Französin hat Kasmi freilich viel eigene Erfahrung in den Film einfließen lassen können. Als Inspirationsquelle diente aber auch ein Roman von Philip Roth über zwei sehr ungleiche jüdische Brüder aus New York. Basierend auf diesen Hintergründen wird eine Geschichte darüber erzählt, wie unterschiedlich gerade junge Menschen mit ihrem kulturellen oder religiösen Hintergrund umgehen. Es ist eine Geschichte über Selbstbehauptung, Identitätsfindung und Anpassung, aber auch über Toleranz und die Kraft der Liebe.
Der mitunter sehr schräge Humor des Films entsteht in erster Linie durch die Unfähigkeit aller Familienmitglieder, "Nein" sagen zu können. Allerdings führt diese Unfähigkeit auch zu einigen der traurigsten Szenen, mit denen der Film auch nicht gerade geizt. Gerade die Rückblenden, die erahnen lassen, was Hanna als Kind erleben und Hakim mitansehen musste und auch wie sehr Hakim später unter dem sehr freizügigen und freigeistigen Auftreten seiner Schwester zu leiden hatte, schlagen durchaus auf den Magen. Dass die vielen leichteren, absurd-humorvollen Momente da nicht völlig deplatziert wirken, sondern sich ein harmonisches Gesamtbild ergibt, ist eine der ganz großen Stärken des Films.
Allerdings wirkt die Inszenierung mitunter etwas sprunghaft. Zwischen einzelnen Szenen gibt es keine echte Verbindung, was an einigen Stellen dazu führt, dass der Erzählfluss sehr abgehackt wirkt und ein episodenhafter Charakter entsteht. Das erfrischend unverkrampfte Spiel der Darsteller und einige wirklich schöne Momentaufnahmen können diese Schwäche aber zumindest in weiten Teilen auffangen. Insgesamt schafft es "Mademoiselle Hanna und die Kunst, Nein zu sagen", viele Themen, die unsere Gesellschaft derzeit beschäftigen, auf eine sehr originelle, augenzwinkernde Art anzugehen, ohne ihre Relevanz dadurch zu schmälern. Der mitunter sehr krasse, aber dabei immer stimmige Mix aus Komödie und Drama macht den Film mit Sicherheit für einige Zuschauer schwer zugänglich. Wer aber schon "Der Name der Leute" mochte und generell ein Faible für französische Arthaus-Komödien der etwas anderen Art hat, der wird dem Charme dieses Films garantiert verfallen. Sehenswert!
Ein Artikel von Sebastian Betzold