Die Frankfurt-Tipp Bewertung: |
Originaltitel: | Still Alice |
Genre: | Drama |
Regie: | Richard Glatzer, Wash Westmoreland |
Kinostart: | 05.03.2015 |
Produktionsland: | USA 2014 |
Laufzeit: | ca. 101 Min. |
FSK: | ab 0 Jahren |
Webseite: | www.StillAlice-DerFilm.de |
Die 50jährige Linguistik-Professorin Alice Howland (Julianne Moore) lebt für die Sprache, für ihr Wissen und ihren Beruf. Sie ist eine Koryphäe auf ihrem Gebiet und diesem Ruf will sie auch so lange als möglich gerecht werden. Doch dann passieren scheinbar kleine Dinge, die ihr zunehmend Sorgen machen: sie vergisst bei einem Vortrag ein eigentlich einfaches Wort, verliert bei ihren Vorlesungen den Faden oder weiß beim Joggen entlang der Strecke, die sie jeden Tag läuft, plötzlich nicht mehr genau, wo sie ist. Ein Besuch beim Arzt bringt dann die schreckliche Diagnose: Alice leidet an einem sehr seltenen Fall von frühem Alzheimer. Gemeinsam mit ihrem Mann John (Alec Baldwin) beschließt sie, ihre Krankheit so lange wie möglich vor ihren Kindern Lydia (Kristen Stewart), Tom (Hunter Parrish) und Anna (Kate Bosworth) geheim zu halten. Doch als sie erfährt, dass diese Form von Alzheimer vererbbar ist, muss sie ihre Kinder mit ihrem eigenen und deren potentiellem Schicksal konfrontieren. Und nun ist es ausgerechnet die rebellische Schauspielerin Lydia, zu der Alice zuletzt ein eher kompliziertes Verhältnis hatte, die darauf verzichtet, sich selbst testen zu lassen. Sie stellt ihre eigene Zukunft hinten an, um jetzt mit ihrer Mutter zusammen sein können, solange es noch geht…
"Still Alice" ist ein Paradebeispiel dafür, dass auch sehr schwere Themen emotional, aber nicht kitschig, ungeschönt, aber nicht zu deprimierend umgesetzt werden können. Die beiden Filmemacher Richard Glatzer und Wash Westmoreland haben ein sehr sensibles Drama inszeniert, das gekonnt auf jede Form plakativer Darstellung verzichtet. Statt schwermütigem Betroffenheitskino haben sie ganz starkes Gefühlskino geschaffen, bei dem man sich als Zuschauer seiner Tränen nicht zu schämen braucht.
In nur 23 Tagen wurde der Film unter schwierigen Umständen gedreht. Denn Richard Glatzer leidet an der Nervenkrankheit ALS und konnte während des Drehs schon nicht mehr sprechen. Seine Anweisungen hat er mit Hilfe einer speziellen Sprach-App auf seinem IPad an die Darsteller und die Crew übermittelt. Glatzers Krankheit, der straffe Drehplan und ein sehr überschaubares Budget von knapp 5 Millionen Dollar hatten allerdings keinerlei negativen Einfluss auf den Film. Denn nicht nur die sensible Inszenierung hinterlässt einen durchweg positiven Eindruck. Auch auf schauspielerischer Ebene kann das Drama auf ganzer Linie überzeugen. Selbst die oft für ihr eher eingeschränktes Mienenspiel gescholtene Kristen Stewart liefert eine erstklassige und bewegende Leistung ab.
Doch so gut alle Darsteller auch spielen, am Ende gehört dieser Film doch ganz alleine Julianne Moore, die für die Verkörperung der an Alzheimer erkrankten Professorin völlig verdient den Oscar und zahlreiche andere Preise erhalten hat. Ihr Spiel ist gerade deshalb so intensiv, weil Moore ganz der Inszenierung entsprechend die notwendige Zurückhaltung wahrt. Große Gefühlsausbrüche werden nur in kleinen Dosen eingesetzt. In erster Linie sind es kleine Details in Bewegung und Mimik sowie ausdrucksstarke Blicke, die alle Veränderungen, die Alice durchleben muss, und die damit einhergehende Angst, Wut und Trauer so nachvollziehbar machen.
Das ist natürlich sehr traurig und drückt auch aufs Gemüt. Dennoch zieht "Still Alice" die Zuschauer nicht völlig runter, sondern ist einfach ein extrem bewegender, in vielen Momenten aber auch sehr schöner Film, der schon alleine durch Julianne Moores Leistung lange nachwirkt. Wer bereit ist, sich mit dem schwierigen Thema auseinanderzusetzen und generell ein Faible für anspruchsvolle US-Dramen hat, der sollte sich dieses großartige Werk auf keinen Fall entgehen lassen. Unbedingt sehenswert!
Ein Artikel von Sebastian Betzold