Die Frankfurt-Tipp Bewertung: |
Originaltitel: | Fúsi |
Genre: | Drama, Tragikomödie |
Regie: | Dagur Kári Pétursson |
Kinostart: | 12.11.2015 |
Produktionsland: | Island/Dänemark 2015 |
Laufzeit: | ca. 95 Min. |
FSK: | ab 12 Jahren |
Webseite: | www.virginmountain.de |
Der gutmütige Fúsi (Gunnar Jónsson) ist ein Einzelgänger, wie er im Buche steht. Mit Mitte Vierzig lebt der übergewichtige Mann noch bei Mutti und seine einzige Leidenschaft sind ferngesteuerte Autos und das Nachstellen von großen Schlachten mit Spielzeugsoldaten. Von seinen Kollegen wird Fúsi nicht nur belächelt, sondern auch regelmäßig gehänselt, was er mit scheinbar stoischer Ruhe an sich abprallen lässt. Erst als er sich mit dem neuen Nachbarsmädchen Hera anfreundet, die Fúsi irgendwie merkwürdig, aber eben auch extrem nett findet, und er sich dann auch noch vom Freund seiner Mutter zu einem Tanzkurs überreden lässt, kommt etwas Abwechslung in sein Leben. Denn beim Square-Dance lernt der Heavy Metal Fan die liebenswerte Sjöfn (Ilmur Kristjansdóttir) kennen, die aus unerfindlichen Gründen Gefallen an ihm zu finden scheint. Doch die Begegnungen mit Hera und Sjöfn halten auch einige unschöne Überraschungen bereit, die Fúsi dazu zwingen, endlich aus seiner Komfortzone auszubrechen, wenn er nicht sein Leben lang der merkwürdige Einzelgänger bleiben will…
Nach über fünf Jahren Pause meldet sich Regisseur Dagur Kári Pétursson ("Ein gutes Herz") mit "Virgin Mountain" zurück. Die voller lakonischem Witz und Melancholie erfüllte Geschichte eines Außenseiters ist einer jener Filme, bei denen man nie so genau, ob man jetzt lachen oder weinen soll. Mit extremer Langsamkeit senkt Fúsi seinen sorgfältig aufgebauten Schutzschild und wagt sich aus dem sicheren Trott der Normalität heraus in ein Leben, das nicht wirklich besser zu sein scheint. Neue Freundschaften bringen eben nicht nur Glücksgefühle, sondern auch Anfeindungen, Enttäuschungen und demütigende Verdächtigungen mit sich. Für jedes kleine Erfolgserlebnis, für das man sich als Zuschauer mit dem gutmütigen Bären freut, gibt es einen kurz darauf folgenden Moment tiefer Traurigkeit und Ernüchterung.
Der Film bezieht seine Spannung – wenn man das bei derartiger Langsamkeit überhaupt so bezeichnen kann – aus der Frage, ob Fúsi sich wieder in sein Schneckenhaus zurückzieht, oder aber ob er gestärkt aus den Rückschlägen hervorgeht. Hauptdarsteller Gunnar Jónsson macht Fúsi zu einem extrem liebenswerten Kautz, dem man alles Glück der Erde wünscht. Dennoch ist sein Weg zum Glück sehr sperrig und zu artifiziell, um ein breiteres Publikum ansprechen zu können. Wer kleine, lakonische Tragikomödien aus dem hohen Norden mag, der wird bestimmt seinen Gefallen an dem Film finden. Es gibt viele kleine Momente, die einfach bezaubernd, sehr originell und auch bewegend sind. Doch man muss schon ein Faible für diese Art des Geschichtenerzählens haben, um im Ganzen von der tristen Grundstimmung und dem ermüdenden Tempo mitgerissen zu werden.
Wem das gelingt, der wird Fúsi garantiert schnell in sein Herz schließen und bis zum Ende mit ihm mitfiebern, ob er ein Muttersöhnchen bleibt oder endlich den Absprung in ein eigenes Leben schafft. Das ist Filmen wie diesem jenseits des Mainstreams immerhin hoch anzurechnen: ihr Ausgang ist – anders etwa als bei Hollywood-Produktionen – nicht wirklich vorhersehbar. Und so gilt dann am Ende auch: für ein kleines Nischenpublikum durchaus sehenswert. Für alle anderen aber nicht mehr, als eine charmante Einschlafhilfe.
Ein Artikel von Sebastian Betzold