Die Frankfurt-Tipp Bewertung: |
Originaltitel: | Viva La Liberta |
Genre: | Komödie |
Regie: | Roberto Andò |
Kinostart: | 27.02.2014 |
Produktionsland: | Italien 2013 |
Laufzeit: | ca. 96 Min. |
FSK: | ab 0 Jahren |
Webseite: | www.viva-derfilm.de/ |
Miese Umfragewerte, schlechte Presse, Gegenwind aus der eigenen Partei – dem Oppositionspolitiker Enrico Oliveri (Toni Servillo) wird das einfach zu viel. Er packt seine Sachen und verlässt Rom Hals über Kopf, um in Frankreich bei seiner ehemaligen Geliebten Danielle (Valeria Bruni Tedeschi) unterzutauchen. Das spurlose Verschwinden ihres Chefs droht die Partei in der wichtigen Wahlkampfphase ins Chaos zu stürzen. Da hat Oliveris engster Mitarbeiter Andrea Bottini (Valerio Mastandrea) die rettende Idee: er bittet Enricos Zwillingsbruder Giovanni, einen äußerst exzentrischen Philosophen, dass er für einige Tage vorgeben soll, Enrico zu sein. Giovanni zögert nicht lange und nimmt das Angebot an – mit ungeahnten Folgen: denn nicht nur, dass er Gefallen daran findet, den Politiker zu mimen. Auch bei der Presse und den Wählern kommt der "neue" Oliveri erstaunlich gut an. Doch kann diese Täuschung lange aufrechterhalten werden?
"Viva La Liberta" erinnert auf den ersten Blick ein klein wenig an die US-Komödie "Dave" mit Kevin Kline. Hier wie dort ist der eigentliche Politiker eher ein steifer, freudloser Typ, der mit wenig Beliebtheit beim Volk zu kämpfen hat, während sein eingesetztes Double Lebensfreude, vielleicht sogar ein wenig Naivität und Nähe zu den Wählern ausstrahlt. Da hören allerdings die Gemeinsamkeiten auch schon auf und es werden prinzipielle Unterschiede zwischen dem amerikanischen und dem europäischen Kino offensichtlich. Denn "Viva La Liberta" verlässt sich nicht einfach auf den komödiantischen Effekt, der durch die Unterschiede zwischen Original und Double entsteht. Vielmehr ist der Film auch eine bissige Politsatire und ein nachdenkliches Selbstfindungsdrama, das sich viel Zeit für ruhigere Momente nimmt.
Und das ist insofern gut, da dadurch im Verlauf des Films deutlich wird, dass Enrico eigentlich gar nicht der verbitterte, steife Politiker ist, als den man ihn zu Beginn kennen lernt. Und es wird auch offensichtlich, wie sehr sich ein Mensch wie Giovanni durch die ungewohnte Popularität verändern lässt. Zwei sehr unterschiedliche Menschen mit ihren verschiedenen Facetten glaubwürdig darstellen zu können, bedarf eines wirklich überzeugenden und starken Hauptdarstellers. Den hat Regisseur Roberto Andò in Toni Servillo ("La Grande Bellezza") gefunden. Servillo darf hier eine große Bandbreite seines Könnens offenbaren, was ihm derart gut gelingt, dass man dem Film auch seine kleinen Längen und dramaturgischen Hänger gerne verzeiht. Sicherlich hätte "Viva La Liberta" als Satire auf die italienische (und europäische) Politik noch sehr viel mehr Biss haben können. Doch mit einem derart sympathischen Darsteller fällt dieses Manko nur halb so negativ ins Gewicht.
Es mag vielleicht etwas negativ klingen, "Viva La Liberta" als netten Film zu bezeichnen. Aber genau das trifft es auf den Punkt. Die Komödie ist eben keine zynische Politsatire, kein Verwechslungs-Schwank mit dauerhaft abgefeuerten Lachsalven, sondern ein eher ruhiges, charmantes Werk zum Schmunzeln und gern haben. Nett eben. Wer unaufdringliches europäisches Arthauskino mit einem schelmischen Augenzwinkern mag, der ist hier genau richtig. Wer eine bitterböse Abrechnung mit Berlusconi und Konsorten erwartet, der wird dagegen eher enttäuscht sein. Unterm stricht reicht das ganz klar für ein: Sehenswert!
Ein Artikel von Sebastian Betzold