Unsere Idee von Frankfurt ist ja, dass hier ein ständiges Kommen und Gehen herrscht. Menschen aus aller Welt für relativ kurzes Zeit zu- und dann wieder wegziehen. Was auf der einen Seite ja stimmt. Ich erlebe das sehr anschaulich in meinen Englischkursen an der VHS: Japaner, die nach sechs Jahren Aufenthalt in ein anderes europäisches Land versetzt werden oder zurück in die Heimat umziehen. Oder Südamerikaner, die ein paar Jahre in Ägypten verbracht haben und nun nach Deutschland versetzt wurden und wissen, dass in drei Jahren ein anderes Land auf sie wartet. Oder gebürtige Hamburger, die das Heimweh zurück in die Hansestadt zieht, nach einer zweijährigen Jobepisode am Flughafen etwa.
Ja, es stimmt, bei uns am Main herrscht ein ständiges Kommen und Gehen. Das Erleben wir jeden Morgen auf der Straße wie etwa beim täglichen Pendeln in die City und aus der Stadt heraus. Als ich noch zur Schar dieser Pendler gehörte, habe ich mich gefragt, wohin ich als Zugezogene gehöre – wo bin ich Zuhause? An der Schlafstätte im Main-Taunus-Kreis oder in der Stadt des Arbeitsplatzes?
Leben in Frankfurt als Zugezogene
Nach dem Umzug vom MTK nach Frankfurt/Bornheim passierte etwas ganz Spannendes: Bei uns im Haus gibt es auf der Ecke einen Bäcker, einen Friseursalon und ein kleines Kosmetikstudio. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite bietet ein kleiner Tante-Emma-Laden in pakistanisch-freundlicher Hand seine Zeitschriften, sauren Bonbons und Paketdienste an. Innerhalb von zwei Tagen grüßten mich alle erfreut und mit einem Zeichen des Wiedererkennens, innerhalb eines Monats fühlte es sich so an als hätte ich in „meiner Hood“ schon ewig gelebt.
Das ist eines der Dinge, die ich an Frankfurt liebe. Sowas war mir in sieben Jahren in dem kleinen Vorort nicht gelungen. Warum? Hier am Main sind so viele Zugreiste, die neue Kontakte schließen und finden müssen oder wollen – das schafft Offenheit gegenüber anderen. Allein 2018 zogen mehr als 10.000 Menschen zu, wuchs die Einwohnerzahl um 1,6 Prozent – was doppelt so viel ist wie 2016.
In my Hood
Als kürzlich das Paar aus dem Nachbarhaus anfing Kisten zu packen und der Möbelwagen vorfuhr, wurde ich richtig unruhig. Seit fast zehn Jahren hatte ich quasi jeden Morgen erlebt, was bei denen auf dem Balkon serviert wurde, wann sie abends das Licht löschten und morgens wieder anknipsten.
(Nicht, dass hier der Eindruck entsteht, ich sei wie die New Yorker dauerhaft mit Fernglas unterwegs und würde Leute ausspionieren.) Nein. Aber im Innenhof genügt ein Blick aus dem Küchenfenster, um Bescheid zu wissen, was der Nachbar so treibt. Die Leute gegenüber sind nun weg. Wer würde da wohl einziehen? Zugezogen ist eine Dame aus meiner niedersächsischen Heimat. Mit der merkwürdigen Angewohnheit, abends die Jalousien herunterzulassen. Wie soll man sich da kennenlernen, frage ich mich? ;-)
Frankfurt ist ständig in Bewegung.
Und dann ist da noch die andere Seite der Stadt. Die Konstante. Sehr gut abzulesen ist das auch in meinem Haus. Von insgesamt acht Parteien im Altbau hocken vier seit über zehn Jahren an Ort und Stelle. Zwei davon leben sogar über fünfundzwanzig Jahre in ein und derselben Wohnung.
Es ist nun nicht so, dass wir uns nicht gerne verändern wollten. Nur, woher etwas Bezahlbares nehmen, wenn nicht stehlen? Unseren Nachbarn geht es genauso. Und so verändert sich nichts.
Meine Freundin im Nordend hat es sich in einer Eigentumswohnung dauerhaft eingerichtet. Genau wie Bekannte in Eschersheim, von denen einer regelmäßig nach Mannheim pendelt. Frankfurt bleibt in Bewegung.